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Der stille Schrei der Toten

Der stille Schrei der Toten

Titel: Der stille Schrei der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Ladd
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silberfarbenem Isolierband gefesselt ist.«
    Wir drängten uns alle heran, um das Schauspiel besser verfolgen zu können. Die Speziallampe über dem Seziertisch erhellte die gespenstische Szenerie wie ein Bühnenscheinwerfer in einer Theateraufführung. Buckeye kniete sich hin und begann an den Füßen. »Haut und Muskulatur weisen deutliche, wasserbedingte Veränderungen auf, in zunehmendem Maße vom Hals an aufwärts. Die Tote ist mit silberfarbenem Isolierband in mehreren Umwindungen an den Fußgelenken, Waden, Handgelenken und am Hals gefesselt. Die Leiche ist seit ihrer Bergung aus dem See unberührt. Anwesende Zeugen sind Claire Morgan und Bud Davis, beide Detectives der Mordkommission von Canton, sowie mein Assistent John Becker. Ich beginne mit der Entfernung des Isolierbands an den Fußgelenken des Opfers.«
    Buckey nahm ein Werkzeug vom Tisch neben ihm, das aussah wie ein Teppichmesser aus dem Baumarkt. Vielleicht war es das auch. Er kniete sich hin und trennte das Band an der Rückseite vorsichtig auf. Wir schauten gebannt zu, als er es mit einer Zange entfernte. Es löste sich nur langsam, und ich versuchte, darüber wegzusehen, dass auch Hautteile mit abgingen. Ich hoffte inständig auf Fingerabdrücke, aber ich hatte das Gefühl, der Täter war sich bewusst, dass es sich mit Handschuhen gelassener mordet.
    Als Nächstes entfernte Buckeye das Band von den Waden und legte es auf ein sauberes weißes Blatt Papier. Dann nahm er einen Stift und machte sich eine Notiz darüber, woher das Band kam. Shag würde nach Abschluss der Obduktion die entsprechenden Tests daran vornehmen. Es dauerte alles ziemlich lange, weil Buckeye, der ja sehr erfahren war, nie einen Fehler machen würde, der das Ermittlungsverfahren beeinträchtigen könnte. Er war ebenso gut wie die Gerichtsmediziner, mit denen ich in L.A. zusammengearbeitet hatte, und ich hatte mit einigen der Besten zu tun gehabt.
    Buckeye arbeitete sich langsam und mit Bedacht in Richtung Kopf vor.
    »Ich werde nun das Isolierband vom Hals des Opfers entfernen. Es scheint mindestens ein Dutzend Mal um den Hals und die Stuhllehne gewickelt zu sein und erstreckt sich vom Schlüsselbein bis zu den Ohrläppchen des Opfers.« Buckeye ging hinter den Stuhl und stellte eine Schwanenhalslampe so ein, dass ihr Licht direkt auf den Nacken fiel. Er schob das lange blonde Haar beiseite und suchte nach einer Stelle, an der er das Band durchtrennen könnte, ohne eventuell vorhandene Spuren zu zerstören. Ich wartete geduldig. Nun ja, geduldig war zuviel gesagt. Am liebsten wäre ich irgendwo gewesen, nur nicht hier, aber was sollte man machen? Ich veränderte meine Haltung, ließ aber Buckeye nicht aus den Augen. Bud ging extra nah heran, als Buckeye begann, die letzte Lage Isolierband abzulösen.
    Ich zuckte zurück, als die Reste des Bands den Kopf nicht mehr hielten, sodass dieser nach vorne kippte. Buckeye packte ihn an den Haaren, und mein Magen machte einen Salto vorwärts. Wir standen alle fassungslos da und starrten Buckeye an, während er dastand und den Kopf an einer Strähne der langen blonden Haare hielt. Er sah aus wie ein Wikingerkrieger früherer Tage, der eine Kriegstrophäe präsentierte.
    »Oh mein Gott«, sagte ich.
    »Offenbar wurde das Opfer geköpft, bevor es an den Stuhl gefesselt wurde«, äußerte Buckeye unsicher. Ich war froh, dass ich keinen Marmeladendonut gegessen hatte. Shag filmte unbeeindruckt weiter, während Bud ganz grün im Gesicht geworden war. Buckeye machte trotz der unerwarteten Überraschung einfach weiter. »Der Kopf wurde auf einen Rührquirl für Farbe gesetzt und dann zur Stabilisierung mit Isolierband am Körper und der Rückenlehne befestigt.«
    »Verdammte Scheiße«, sagte Bud.
    Besser hätte er meine Gefühle nicht zusammenfassen können.
    Buckeye legte den Kopf vorsichtig auf den Stahltisch und ich musste an Nicholas Black denken und seinen traurigen Blick bei dem Gedanken daran, Sylvie könnte gelitten haben. Das würde ihn schwer treffen. Und wie, mein Gott, sollte die Familie das alles erst verkraften.
    »Dieses Detail verlässt diesen Raum nicht. Ist das klar?« Ich klang atemlos. Ich war es auch. Mir war nur noch schlecht. »Eine Horrorvorstellung, wenn das an die Medien geht.«
    Alle sahen mich an und nickten. Widerstrebend richtete ich den Blick wieder in Richtung Tisch. Eigentlich war ich ja stolz auf mich und meine Fähigkeit, angesichts selbst schlimmster Verbrechen nie die Fassung zu verlieren, aber dass sich

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