Der stille Schrei der Toten
angeknabbert hatten. Während ich weiter zerrte und zog, sah ich die Solarleuchten auf der Veranda über mir und eine Kette von Luftblasen entwich meinem Mund, als ich meine Hand endlich freibekam.
Ich schoss schnellstens in die Höhe und durchbrach, keuchend und beinahe am Ersticken, die Wasseroberfläche. Ich schnappte nach Luft und klammerte mich krampfhaft an einen der Pfähle.
Da hörte ich eine Stimme, Nick Blacks Stimme, tief und voller Zorn. Andere Stimmen antworteten, ehe ich das Pochen von Schritten hörte, die sich zunächst die Stufen hinauf bewegten und sich dann entfernten. Ich stützte meine Ellbogen auf dem Steg ab und versuchte, mich aus dem Wasser zu ziehen, aber dann stand Black da, direkt über mir, und zerrte mich, hinten an der Bluse gepackt, aus dem Wasser.
Sobald ich auf dem Steg landete, rückte ich von ihm ab und krabbelte zur Seite. Schwer atmend, mit zitternden Händen und mit pochendem Schädel zog ich meine Waffe und richtete sie auf seine Brust.
»Hinknien, hinknien! Sofort!« Meine Stimme war heiser, und ich zitterte vor Kälte, aber ich konnte ihn jetzt besser sehen. Er hielt die Arme zur Seite ausgestreckt und ging dann langsam auf die Knie, als hätte er eine gewisse Übung darin.
»Gemach, gemach, Detective. Erschießen Sie mich nicht! Ich hab nichts getan.«
»Hände auf den Rücken! Sofort! Sofort, hab ich gesagt!«
Sobald er flach auf dem Bauch lag, legte ich ihm Handschellen an, suchte ihn nach Waffen ab und stellte fest, dass er sauber war. Dann trat ich mit leicht wackligen Knien zur Seite, lehnte mich gegen das Geländer und sah mich nach seinen Komplizen um.
Einen Moment später ging ich in Deckung und richtete meine Waffe in Richtung Uferlinie, als jemand in mein Blickfeld lief. Eine laute Stimme ertönte: »Security! Waffe fallen lassen!«
»Polizei!«, schrie ich zurück. »Ich brauche Hilfe!«
Der Typ brauchte sage und schreibe nur drei Sekunden, da war er auch schon durch das Wasser gewatet und auf den Steg gesprungen. Es war John Booker. »Was ist denn passiert?«, sagte er, indem er die Waffe wegsteckte und zu Black auf den Boden hinuntersah. »Alles in Ordnung mit ihm?«
»Das ist mir scheißegal. Er hat mich gerade überfallen.«
»Unmöglich, Detective. Er ist mit mir gekommen. Wir sind hier heruntergelaufen, als wir Ihr Auto am Tor gesehen haben. Black wollte sich versichern, ob Ihnen nichts zugestoßen ist. Ich habe das Haus von vorne betreten, während er die Rückseite übernahm.«
Ich starrte ihn ungläubig an. Die Waffe noch immer auf Blacks Rücken gerichtet, zitterte ich vor Kälte, Nässe und Wut.
»Sehen Sie sich die Bilder der Überwachungskamera an, wenn Sie mir nicht glauben. Wir sind gerade erst vor ein paar Minuten hier angekommen.«
Ich brachte Black trotzdem hinter Gitter. Ich ließ ihn erkennungsdienstlich behandeln und vorübergehend festnehmen, weil er eine Polizistin tätlich angegangen hatte. Nichts in meinem bisherigen Leben hatte sich besser angefühlt, als ihn hinter dieser Zellentür zu sehen. Bookers Erklärung klang zwar plausibel, aber das hieß nicht, dass ich sie ihm auch abnahm. Booker brachte die Aufnahmen der Überwachungskamera und spielte sie Charlie vor. Dann kreuzte einer von Blacks aalglatten Anwälten auf und führte ein Vieraugengespräch mit Charlie. Ich wartete unterdessen im Verhörraum. Mittlerweile war ich ruhiger, abgesehen davon, dass mein Kopf immer noch dröhnte und meine Hände zitterten. Damit es niemand sah, hielt ich mich an einem Becher Kaffee fest.
Sobald Charlie hereinkam und ich sein Gesicht sah, wusste ich, dass Nicholas Black auf freiem Fuß war. Ich stand auf und sah Charlie vorwurfsvoll an.
»Er war es nicht, Claire. Das kann er beweisen.«
»Ah ja, genau. Er war nur zufällig genau zu dem Zeitpunkt da, als ich angegriffen wurde.«
»Richtig. Er war ausgerechnet mit dem verdammten Bürgermeister zusammen im Haupthaus, als der Sicherheitsdienst ihn darüber informierte, dass Ihr Auto herrenlos vor dem Tor stehe. Angeblich wollte er sich versichern, dass auch alles in Ordnung war. Also verließ er die Besprechung, so bald er nur konnte, und zu zweit öffneten die beiden das Tor und fuhren den Hügel hinunter. Der Wachmann namens Booker betrat das Haus über den Vordereingang, Black dagegen hörte jedoch etwas und lief auf der Veranda um das Haus herum, und in dem Moment sah er Sie im Kampf mit einigen Männern. Die Kerle ergriffen die Flucht, aber als er sah, dass Sie in den See
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