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Der stille Schrei

Der stille Schrei

Titel: Der stille Schrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leon Specht
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dabei über die Schulter. Speick-Duft stieg in meine Nase. Ich meinte seine Hände auf meiner Haut zu spüren, wie zuletzt meine beim Duschen. Meine Synapsen spielten verrückt. Es kribbelte überall.
    „Gut.“
    Dann wartete er. Ich verstand ihn nicht. Er spürte es, wie seine nächsten Worte verrieten.
    „Lauf los!“
    Ja, bitte schön. Und wohin? Schwarzer Berg! Koordinaten. Aber wie sollte ich ihn finden?
    „Ich weiß nicht, wie.“
    „Okay. Ich helfe dir.“
    Ganz der Gentleman. Wie immer. Wie immer am Anfang von Beziehungen?
    Dann lief er einfach los. Das nannte er helfen. Also joggte ich hinterher. Die Straße hinunter. Dann nach rechts. Plötzlich bog er scharf nach links ab. Am Bach entlang. Ich hatte null Plan, aber folgte ihm brav. Er wusste schon, wo es langging. Das war mir klar.
    Schließlich liefen wir aus Burgjoss hinaus und waren endlich im Wald. Diese Strecke kannte ich nicht. Noch nie war ich hier gelaufen.
    Sein Tempo fühlte sich genau richtig an. Er schaute zur Seite und lächelte mich an. Ich wusste, dass ich jetzt die Führung übernehmen sollte. Der Weg führte auch immer geradeaus. Manchmal zog ich das Tempo an, weil mein Pulsmesser am unteren Ende der eingestellten Bandbreite piepste; aber um ehrlich zu sein: weil ich mich unterfordert fühlte. Ich wollte einfach schneller laufen. Am oberen Piepsende hätte ich gern noch ein wenig Gas gegeben, merkte aber, dass es Tim nicht recht gewesen wäre. Brave Schülerin, die ich war, bremste ich das Tempo, bis das Piepsen aufhörte.
    Das war eine wahre Freude, so zu laufen. Wahnsinn! Die Endorphine wirbelten durch meinen Körper und machten mich glücklich. Pur. Nicht mehr zu steigern.
    An einer Abzweigung wollte ich mich intuitiv nach rechts entscheiden. Er zog mich aber noch rechtzeitig nach links. Nun begann eine Steigung. Am Anfang wollte ich mächtig Gas geben, weil ich die Kraft in mir spürte. Er ließ mich wenige Schritte gewähren, bremste mich dann aber. Das war auch gut so. Ich merkte es später. Die unendliche Steigung ging immer weiter. Noch weiter. Steigerungen. Puh. Jetzt ging mein Atem doch deutlich schneller, das Piepsen schwoll ganz schnell an.
    „Schalte deine Uhr ab.“
    Ich gehorchte. Wie immer. Bei Karl. Aber das hier war doch Tim?!
    Oh Gott. Die Steigung zog sich hin. Mein Atem ging stoßweise. Ich bekam schwarze Flecken vor meinen Augen. Ein Tunnel tat sich auf. Dann verfing sich mein Fuß an einer winzigen Wurzel. Ich strauchelte, konnte mich aber abfangen. Weiter. Immer weiter. Ich biss die Zähne zusammen, versuchte das Tempo zu halten. Mein Puls hämmerte in meinen Ohren. Egal. Weiter.
    Jetzt war die Spitze des Berges zu sehen. Endlich! Noch einmal leicht links um die Kurve, und dann ging es bergab.
    In diesem Moment bremste er mich, indem er meinen Arm hielt.
    „Pause, Claudia. Du bist super gut gelaufen. Great!“
    Ich wollte stehen bleiben und die Schmerzen abklingen lassen. Doch er schob mich weiter.
    „Bleib nicht stehen. Du musst dich immer bewegen.“
    Langsam beruhigte sich mein Puls. Er sah mich von der Seite an. Stolz!
    Ich hingegen fühlte mich schwach. Stolz? Durfte ich stolz auf diese Leistung sein? Vermutlich schon.
    Dann wollte ich mich gehen lassen. Da war ein Baumstamm. Ich stolperte auf ihn zu und setzte mich hin. Der Tunnel öffnete sich, und ich konnte die Umgebung wieder wahrnehmen.
    „Es ist schön hier.“
    „Ja, wir sind hier auf dem höchsten Punkt im Jossgrund. Der Schwarze Berg. 521 Meter. Ein Berg ohne Aussicht, weil alles dicht bewaldet ist.
    „Trotzdem schön.“
    Nun schwieg er. Um den Baumstamm herum wuchsen Blaubeeren in Hülle und Fülle. Ich pflückte einige Beeren und schob sie mir in den Mund. Wie unhöflich von mir. Ich musste ihm auch welche anbieten. Also pflückte ich eine Handvoll und bot sie ihm an.
    Er zögerte. Dann schaute er mir tief in die Augen. Ich verstand ihn nicht. Aber er nahm die Blaubeeren, indem er sich herunterbeugte und sie mit seinen Lippen aus meiner Hand pflückte.
    Es elektrisierte mich. Was geschah hier?
    Auf einmal wurde es still, völlig still. Waren alle Vögel auf einmal verschwunden? Trat ich erneut in einen Tunnel ein? Ich spürte ein Prickeln am ganzen Körper und wurde steif.
    „Claudia“, hörte ich seine Stimme wie am Ende des Tunnels. „Claudia.“ Dann schwieg er.
    Was wollte er mir damit sagen? Meinte er mich? Claudia? Wer war Claudia?
    Irritiert schaute ich nach rechts, fand dort aber keinen Halt. Links saß er. Durfte ich meinen

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