Der Stolz der Flotte
wurde es hart gegen die Schiffswand geworfen, im anderen sackte es tief in ein Wellental; fluchend mühten sich die Ruderer ab, damit die Bootsplanken nicht eingedrückt wurden.
Bolitho sprang von der Bordwand weg und hinunter, im Bewußtsein, daß er, wenn er fehlsprang, unter die Rundung des Rumpfes gesaugt oder von der tanzenden Jolle zerquetscht werden würde.
Atemlos sank er in der Flicht zusammen, von Gischt geblendet und fast bewußtlos von dem Sprung, der eher ein Fall gewesen war. Grinsend sah Allday durch die fliegenden Schaumfetzen zu, wie die Rudergasten das Boot von der Bordwand wegdrückten und sich anschickten, zur
Navarr
a
zu rudern.
»Es weht ganz hübsch, Captain!«
»Solche Böen können in Minuten vorüber sein«, erwiderte Bolitho.
»Oder aber sie bringen ein Schiff zur Verzweiflung.« Erstaunlich, wie rasch Allday jetzt, da er wieder bei ihm war, seine gute Laune wiedergefunden hatte!
Achteraus sah er die
Euryalu
s
schwer in den Wellen liegen. Ihre gerefften Marssegel gaben ihr gerade so viel Fahrt, daß sie sich steuern ließ und von der
Navarr
a
frei blieb. In dem stahlgrauen Licht sah sie riesig und machtvoll aus; Gott sei Dank hatte Keverne bereits die unteren Stückpforten schließen lassen, denn offene Pforten hätten nicht nur zusätzliche Arbeit für die Pumpen bedeutet, sondern auch noch Unbequemlichkeiten für die Männer, die dort unten wohnen mußten.
Selbst im Zwielicht waren die schweren Wunden des spanischen Schiffes deutlich zu erkennen. Kampanje und Achterschiff hatten gähnende Löcher an verschiedenen Stellen, die geschwärzten Balken ragten heraus wie brüchige Zähne. Das alles hatte diese eine und nicht einmal volle Breitseite verursacht.
Midshipman Ashton rief: »Mr. Meheux hat ein paar Schwenkgeschütze montiert, Sir. Aber die Mannschaft ist so durcheinander, daß sie kaum versuchen wird, das Schiff zurückzuerobern.«
»Da wird bald nichts mehr zurückzuerobern sein«, brummte Allday.
Beim vierten Versuch gelangte das Boot endlich in Lee der Navarra und konnte an den Großrüsten festmachen. Bolitho nahm seine Würde in beide Hände und versuchte einen wilden Sprung nach dem Fallreep, wobei ihm der Hut vom Kopf flog und er selbst von einem die Bordwand entlanglaufenden Brecher bis zum Gürtel durchweicht und beinahe weggespült wurde.
Mehrere Hände streckten sich ihm über die Schanz entgegen und hievten ihn unzeremoniell an Deck, wo Meheux und der Steuermannsmaat ihn empfingen, sichtlich überrascht von seinem plötzlichen und wenig würdevollen Auftauchen.
Nach ihm kletterte Allday an Bord; er hatte es sogar irgendwie geschafft, den verlorenen Hut aufzufischen, allerdings war die ursprüngliche Form unwiderbringlich dahin. Bolitho nahm ihn entgegen und musterte ihn kritisch, während er langsam wieder zu Atem kam und mit ein paar raschen Blicken den Umfang des angerichteten Schadens abschätzte.
Da war der gestürzte Besanmast, das Gewirr von Stagen und Leinwand, eine Anzahl Tote mit klaffenden Wunden, deren Blut mitsamt dem überkommenden Sprühwasser weggeschwemmt wurde wie das Leben selbst.
»Nun, Mr. Meheux«, sagte er, »ich wäre Ihnen verbunden, wenn Sie mir mitteilen würden, was Sie gesehen und welche Schlüsse Sie daraus gezogen haben.« Er fuhr herum, denn von irgendwo fiel ein Block herunter und schlug in einen Haufen zerschmetterter Planken ein, die einst ein Boot gewesen waren. »Aber bitte kurz.«
Der Zweite der
Euryalu
s
blickte auf dem chaotischen Deck umher und sagte: »Sie hat ein paar böse Lecks und auch mehrere Risse dicht über der Wasserlinie. Wenn die größer werden, nimmt sie mehr Wasser über, als die Pumpen bewältigen können.« Er hielt inne, damit Bolitho das taktmäßige Janken der Pumpen hören konnte. »Das eigentliche Problem aber sind die vielen Menschen unter Deck, Sir. Außer der Besatzung hat das Schiff etwa einhundert Passagiere an Bord: Frauen und sogar Kinder sind da unten zusammengepfercht. Wenn die durchdrehen, gibt es eine Riesenpanik.« Er deutete auf das zerschmetterte Bootslager. »Und die Boote sind auch Schrott.«
Bolitho rieb sich das Kinn. Alle diese Passagiere… Warum hatte der Kapitän eigentlich deren Leben riskiert, als er gegen einen Dreidecker zu kämpfen versuchte? Das war doch sinnlos. Es paßte auch gar nicht zu der gewohnten Haltung der Spanier, wenn es ums eigene Überleben ging.
»Sie haben dreißig Mann unter Ihrem Befehl, Mr. Meheux.« Er versuchte, nicht an die unten in
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