Der Stolz der Flotte
bauen. Ihre Offiziere sind tot, und jeden Moment kann Panik ausbrechen.« Grindle war ein erfahrener Mann; es gehörte sich, daß man ihm die Zusammenhänge erklärte, selbst in diesem kritischen Augenblick.
Der Steuermannsmaat nickte. »Aye, Sir. Ich tue, was ich kann.«
Er hob die Stimme: »He, ihr beiden da! Bewacht das Luk, wir gehen jetzt runter und holen die Kinder.«
Stolpernd kam ein Matrose durch den Gang. »Captain, Sir! Empfehlung von Mr. Meheux, und die
Euryalu
s
signalisiert!« Er riß die Augen auf, als sich Grindle mit zwei schreienden Babys, die er wie ein Bündel Leinwand unterm Arm hatte, durch das Luk quetschte.
»Helft Mr. Grindle!« befahl er scharf. Dann rief er Ashton zu: »Gehen Sie an Deck, sehen Sie nach, was sie will! Aber machen Sie schnell, mein Junge! Ich brauche bestimmt gleich wieder Ihre Spanisch-Kenntnisse!«
Mit jeder Minute schwoll die Flut der stolpernden, keuchenden Gestalten an; ab und zu griff ein Matrose dazwischen und holte einen Mann heraus, der sich zwischen den Frauen verbergen wollte.
Bolitho gewann einen verschwommenen Eindruck von schwarzen Haaren und angstvollen Augen, von Tränenspuren in Gesichtern, von Verzweiflung, die jeden Moment in Panik umschlagen konnte.
Ashton war wieder da, er drängte und stieß sich durch die Menge, der Hut saß ihm schief. »Der Admiral wünscht zu wissen, wann Sie zurückkommen, Sir«, meldete er.
Bolitho versuchte, sich durch die Angst und den Lärm, die ihn von allen Seiten bedrängten, verständlich zu machen. »Signalisieren Sie zurück: ›Brauche mehr Zeit‹. In Kürze ist es stockfinster.«
Ashton starrte ihn ratlos an. »Es ist ja jetzt schon fast dunkel, Sir.«
»Und der Wind?« Er mußte nachdenken. Mußte seine Gedanken von der Masse dieser verschreckten, unwirklichen Gestalten losreißen.
»Stark, Sir. Mr. Meheux sagt, er wird immer stärker.«
Bolitho wandte sich ab. Es war entschieden. Vielleicht hatte er von Anfang an nicht daran gezweifelt. »Gehen Sie, setzen Sie Ihr Signal ab. Geben Sie noch durch, daß ich versuchen will, das Schiff binnen einer Stunde in Fahrt zu bringen.«
Ashton war völlig erschlagen. Vielleicht hatte er erwartet, daß Bolitho befahl, das Schiff zu verlassen. Die Jolle konnte immer noch fahren, wenigstens mit einem Teil des Prisenkommandos.
Keuchend kam Grindle herbei, das graue Haar gesträubt wie dürres Gras. »Wie viele bis jetzt?« rief Bolitho ihn an.
Er kratzte sich den Kopf. »Ungefähr zwanzig Gören. Und Frauen sind es zirka fünfzig.« Grinsend bleckte er seine unregelmäßigen Zähne. »Des Seemanns Traum, möcht’ man sprechen, Sir.«
Grindles Humor gab Bolitho die Ruhe wieder. Beinahe hätte er den Midshipman zurückgerufen, ehe er das Signal setzen konnte. Um in letzter Minute einen Kompromißvorschlag zu machen, den Broughton mit voller Berechtigung ablehnen würde, um ihn auf die
Euryalus
zurückzubeordern. Aber das kam nicht in Frage. Undenkbar, daß er Meheux hier allein weitermachen ließ, während er sich hinter seinem Rang als Flaggkapitän versteckte.
Ashton kehrte sehr schnell wieder zurück. Er war kreidebleich und sichtlich erschüttert. »Signal von der
Euryalus
,
Sir. Wenn Sie sicher sind, die Prise retten zu können, sollen Sie sofort bestätigen.« Er schluckte heftig, denn etwas Hartes krachte aufs Oberdeck, und die Matrosen schrien und fluchten laut.
»Dann bestätigen Sie, Mr. Ashton!«
»In diesem Falle«, fuhr der Midshipman fort, »sollen Sie aus eigener Kraft zum Treffpunkt des Geschwaders laufen. Das Flaggschiff setzt Segel.«
Bolitho versuchte, seine Gefühle zu verbergen. Zweifellos war es Broughtons allergrößte Sorge, nicht die Kontrolle über sein Geschwader zu verlieren. Dort lag schließlich seine Hauptverantwortung. Wenn er sich von einem kräftigen Sturm erwischen ließ, konnte es ihn Tage kosten, bis er seine Schiffe wiederfand und erfuhr, ob Draffen etwas Nützliches herausgefunden hatte. Nüchtern überdachte Bolitho die Folgen seines Entschlusses. Keverne konnte recht gut auf eigene Faust fertig werden, das hatte er bereits bewiesen. Hier dagegen… Lieber nicht weiterdenken. Er schlug Ashton auf die Schulter. »Jetzt ab mit Ihnen!« Ashton rannte los, aber er rief hinter ihm her: »Gehen Sie langsam! Es kann nichts schaden, wenn Sie ruhig wirken, ganz egal, wie Ihnen dabei zumute ist.«
Der Midshipman wandte sich nach ihm um, rang sich ein Lächeln ab und setzte seinen Weg fort. Im Schritt.
Alldays Stimme übertönte den
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