Der Stolz der Flotte
Todesangst zusammengedrängten Me nschen zu denken. »Lassen Sie noch ein paar Matrosen der
Navarr
a
an die Pumpen gehen. Wenn sie sich ablösen, müßten wir mit dem überkommenden Wasser fertig werden. Und dann das Ruder. Haben Sie da schon etwas unternommen?«
»Mein Unteroffizier, Mr. McEwen, kümmert sich um die Züge, Sir.« Meheux schüttelte den Kopf. Offenbar hielt er das alles für Zeitverschwendung. »Aber auch der Kopf der Ruderpinne ist beschädigt und wird in schwerer See bestimmt brechen.«
Midshipman Ashton war durch die Schanzpforte an Deck geklettert und schüttelte sich wie ein halb ertrunkener Terrier.
Bolitho warf rasch einen Blick zum Himmel. In dem schwindenden Licht schienen sich die Wolken schneller auszubreiten und tiefer herabzukommen. Auf jeden Fall haben wir eine böse Nacht vor uns, dachte er grimmig.
Er sah, daß Meheux ihn besorgt beobachtete, zweifellos neugierig, wie sein Kommandant mit einer unlösbaren Aufgabe fertig werden würde. Mit einer Zuversicht, die er ganz bestimmt nicht verspürte, schlug Bolitho dem Leutnant auf die Schulter. »Aber Mr. Meheux, Sie machen ja ein Gesicht wie ein Säufer über einer Schale Milch! Jetzt schicken Sie Ihre Männer an die Arbeit, und Mr. Ashton soll mir die Passagiere zeigen.«
Er ging mit Ashton zum Kampanjeluk. Dort lag ein Toter in goldbetreßtem Rock, der von der brennenden Leiter gefallen war. Das mußte wohl der Kapitän sein. Das Gesicht war fast weggerissen, doch auf dem makellos sauberen Rock war kaum ein Tröpfchen Blut.
Zwei bezopfte Matrosen standen am Rad und drehten es vorsichtig nach den rauhen Anweisungen des Unteroffiziers. Sie sahen Bolitho, und der eine von ihnen grinste mit offensichtlicher Erleichterung.
»Wir gehen doch von Bord, Sir? Die läßt sich nie mehr ordentlich steuern, so wie das aussieht.«
Daß sie auf einmal ihren Kommandanten höchstselbst zu Gesicht bekamen, nachdem sie schon gedacht hatten, sie seien auf diesem havarierten Kahn ihrem Schicksal ausgeliefert, ließ ihn vorübergehend den gewohnten Respekt beim Anreden eines Offiziers vergessen. Aber Bolitho sah nur, wie sich das zutrauliche Gesicht des Mannes in einem breiten Grinsen spaltete. Unter den mehr als achthundert Seelen der
Euryalu
s
hatte er ihn bisher kaum bemerkt, aber in diesem Moment kam er ihm wie ein alter Freund an einem fremden, unheimlichen Ort vor.
Er lächelte. »Ich glaube, so ein Schiff ist immer noch besser als ein Floß.«
Als er sich unter die Decksbalken duckte, blinzelte der Matrose seinem Kameraden zu. »Was hab ich dir gesagt? Hab doch gewußt, unser Dick läßt uns nich’ lange allein!«
Der Unteroffizier, dessen Hände und Unterarme mit schwarzglänzender Ruderschmiere bedeckt waren, tauchte hinter ihnen auf und knurrte: »Wahrscheinlich weiß er, daß er sich nich’ auf euch verlassen kann – genau wie ich.« Aber sogar er war überrascht, daß sein Kommandant an Bord gekommen war – und das genügte ihm vorerst.
Ein Deck tiefer ging Bolitho hinter Ashton den gefährlich schiefen Gang hinunter und vernahm bei jedem Schritt das Knarren und Stöhnen der Balken, das Klappern und Rasseln von zerbrochenem Gerät und allerlei weggeworfenem Zeug. Auch die gegen den Rumpf schlagenden Wellen waren zu hören und das lange, zitternde Protestieren der Planken, wenn sich das Schiff durch ein Wellental quälte und dann schwerfällig wieder hob. Einmal stolperte er und sah im Licht der schwankenden Laterne den Leichnam eines Mannes über dem Lukensüll liegen. Der Körper war von einer Kanonenkugel, die durch eine offene Stückpforte geflogen sein mußte, fast entzweigeschnitten; sie mußte ihn erwischt haben, als er eine Meldung an Deck bringen wollte oder vor dem gnadenlosen Bombardement um sein Leben gerannt war.
Zwei Matrosen standen an einem anderen Niedergang, der oben mit einem schweren Lukendeckel gesichert war. Beide waren bewaffnet und starrten Bolitho überrascht und beinahe schuldbewußt an. Ve rmutlich haben sie ein paar Kabinen durchstöbert, dachte er. Hauptsache, daß sie nicht an das Schnapslager geraten waren oder in der Se ekiste eines Offiziers Wein gefunden hatten. Dreißig angetrunkene Männer wären für die Rettung des Schiffes kaum von Nutzen gewesen.
»Sind alle Passagiere hier unten?« fragte er scharf.
»Aye, Sir.« Der eine stieß mit seiner Muskete auf den Lukendeckel. »Die meisten sind schon vor dem Angriff runtergebracht worden, Sir.«
»Aha.« Das war eine kluge Maßnahme gewesen, so
Weitere Kostenlose Bücher