Der Stolz der Flotte
»Zusammen, Captain?« Dann nickte er heftig; und die plötzliche Entschlossenheit auf seinem runden Gesicht wirkte rührend.
Erregt flüsterte Meheux: »Wie können wir sie abschlagen, Sir?«
»Holen Sie unsere Männer heran und stellen Sie aus ihnen eine Geschützbedienung zusammen. Die beste Kanone kommt in die Achterkajüte. Sie müssen sie da irgendwie montieren – schwierig, aber es muß klappen, und zwar sehr schnell. In einer Stunde können diese Boote in Schußweite sein. Vielleicht schon eher.« Er faßte den Leutnant bei seinem zerfetzten Rock. »Und hissen Sie unsere Flagge wi eder, Mr. Meheux!« Witrand öffnete schon den Mund zum Protest, schwieg aber und wandte sich zur Reling. »Wenn wir kämpfen«, schloß Bolitho, »dann unter unserer eigenen Flagge.«
Allday sah zu, wie die Flagge am Großmast emporstieg, und bemerkte grinsend: »Ich würde eine ganze Menge darauf wetten, daß diese gottverdammten Seeräuber noch nie so ein Schiff des Königs gesehen haben wie diese alte Tante!«
Bolitho sah Pareja an. »Und jetzt, Senor, kommen Sie mit. Heute wollen wir zusammen ein wenig Marinegeschichte machen – eh?«
Aber als er in all die zu ihm emporgerichteten Gesichter sah, die Frauen, die ihre Kinder an sich preßten, ihre wachsende Verzagtheit und Angst, da konnte er nur mit Mühe und Not seine wahren Empfindungen vor ihnen verbergen.
Dem Tode entronnen
»Jetzt dauert es nicht mehr lange, Sir.« Grindle hakte die Daumen in den Gürtel und beobachtete gelassen die sich nähernde Flottille. In der letzten halben Stunde hatten die Boote sich zur Linie formiert; das Manöver ging ohne Eile oder sichtbare Anstrengung vor sich, als hätten sie alle Zeit der Welt. Als sie jetzt stetig im Bogen auf die Backbordseite der
Navarr
a
zufuhren, sahen sie aus wie ein historischer Aufzug oder wie Rudergaleeren. Dieser Eindruck wurde noch durch das dumpfe Trommeln verstärkt, das den Männern an den Riemen ermöglichte, gleichmäßig Takt zu halten.
Die vorderste Schebecke war noch etwa eine Meile entfernt, aber schon konnte Bolitho an ihrem langen, schnabelförmigen Bug den Pulk dunkelhäutiger Gestalten erkennen, die wahrscheinlich das Buggeschütz für den ersten Angriff fertig machten. Die Segel waren bei allen Booten aufgegeit, und er konnte am Vormast den blauen, gespaltenen Wimpel mit dem Halbmondemblem ausmachen.
Er riß sich vom Anblick der stetig und zielbewußt näher kommenden Boote los und sagte zu Grindle: »Ich gehe mal kurz unter Deck. Passen Sie gut auf, bis ich zurück bin.«
Während er den Kampanjeniedergang hinabstieg, versuchte er, sich darauf zu konzentrieren, was er bis jetzt getan hatte, und suchte nach einem Loch in seinem fadenscheinigen Verteidigungsplan. Als Pareja seine Befehle übersetzte, hatte er die Gesichter sowohl der Mannschaft als auch der Passagiere genau beobachtet. Für sie war jeder Plan besser, als hilflos dazustehen wie Schafe, die auf den Schlächter warten. Aber jetzt, als sie sich geduckt im Schiff zusammendrängten und diesem gleichmäßigen, selbstsicheren Trommelschlag lauschten, mochte sich ihr erster Hoffnungsschimmer bald in Panik verwandeln. Wenn sie nur mehr Zeit gehabt hätten! Aber nach der Breitseite der
Euryalu
s
war die
Navarr
a
in einem so traurigen Zustand, daß schnelle Reparatur nicht möglich war. Das Schiff lag zu tief im Wasser, und selbst wenn Wind aufkam, würde sie ohne Besan nur schlecht segeln. Sie hatten die Kampanje-Geschütze über Bord werfen müssen, um das Achterschiff zu entlasten, das am meisten abbekommen hatte. Der Gedanke, daß diese Geschütze gerade jetzt, da sie am nötigsten gebraucht wurden, auf dem Meeresgrund lagen, war nicht eben ermutigend.
In der Heckkajüte waren Meheux und seine Männer fieberhaft an der Arbeit, um ihren Anteil an dem Plan zu erfüllen. Die
Navarra
besaß zwei starke Heckgeschütze; eins davon war jedoch durch eine Kugel der
Euryalu
s
zerschmettert worden. Aber das andere war von seinem ungünstigen Platz an Steuerbord verholt worden und stand jetzt mitten in der Kajüte, die Mündung auf das Fenster gerichtet. Fenster waren allerdings nicht mehr da. Meheux hatte alle Rahmen weggeschlagen, so daß die Kanone weites Schußfeld über die ganze Breite des Hecks hatte. McEwen überprüfte eben die hastig aufgeriggten Taljen, und die Matrosen stapelten eifrig Pulver und Kugeln am Kajütschott.
Meheux wischte sich das dampfende Gesicht und grinste mühsam.
»Die müßte es schaffen, Sir.« Er
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