Der Stolz der Flotte
Überzeugung nach sind das Berberpiraten«, erwiderte er gelassen.
Witrand fuhr zurück. »
Mo
n
dieu
,
l
e
corsaire
!
« Er riß Bolitho das Glas aus der Hand und richtete es sekundenlang auf die winzigen Segel. Dann, etwas gefaßter: »Das ist unangenehm. Was wissen Sie von diesen Leuten?«
Bolitho wandte den Blick ab. »Es sind wilde, barbarische Krieger. Wenn sie an Bord gelangen, töten sie alle bis zum letzten Mann und schleppen dann die Ladung weg.« Er hielt inne. »Und die Frauen.«
Witrand atmete mühsam. »Aber unsere Geschütze sind doch gut,
ou
i
? Sie haben sich doch,
mo
n
dieu
,
gegen Ihr Schiff ganz ordentlich gehalten. Wir können doch sicher diese kleinen Boote zerschmettern, ehe sie da sind?«
Bolitho sah ihm ernst in die Augen. »Sie begreifen noch nicht. Schebecken manövrieren sehr schnell, und wir liegen in der Flaute. Deswegen haben sich diese Piraten auch so lange gehalten und mit solchem Erfolg. Wenn sie nahe genug sind, manövrieren sie sich mit ihren langen Riemen schnell unter unser Heck. Dann schießen sie uns zusammen. Zweifellos hat jedes Boot eine schwere Kanone im Bug. So machen sie es immer.« Er ließ seine Worte ein paar Sekunden wirken. »Das hat sich als sehr erfolgreich erwiesen. Ich habe von Kriegsschiffen gehört, die hilflos bekalmt lagen und weiter nichts tun konnten, als zusehen, wie diese Galeeren einen Kauffahrer nach dem anderen mitten im Geleit überfielen.«
Wieder schaute er zur Kimm. Die Segel waren schon viel näher, und er konnte erkennen, wie sich die glänzenden Reihen der langen Riemen in exaktem Gleichtakt hoben und senkten. Die hellen Lateinersegel wirkten noch bedrohlicher; und er konnte sich die freudige Erwartung der Piraten angesichts einer so leichten Beute ausmalen.
»Was sollen wir tun?« fragte Witrand und breitete die Hände aus.
»Sie würden auch Sie töten,
capitaine
,
wir müssen zusammenhalten.«
Bolitho hob die Schultern. »Normalerweise würde ich Boote zu Wasser lassen und versuchen, das Schiff umzudrehen. Dann könnten wir ihnen eine Breitseite verpassen. Aber Boote haben wir nicht, außer dem kleinen, mit dem ich an Bord gekommen bin.« Er rieb sich das Kinn. »Jedenfalls wäre das ziemlich viel verlangt.«
»Aber um Gottes willen, Mann! Wollen Sie hier stehen und nichts tun?« Er deutete auf die stummen Zuschauer, denen langsam klar wurde, welch neue Bedrohung mit den immer näher herangleitenden Fahrzeugen auf sie zukam. »Und was wird mit denen da – eh? Wollen Sie sie umkommen lassen? Sie der Folter der Vergewaltigung aussetzen? Sie müssen doch irgendwas tun!«
Bolitho lächelte grimmig. »Sie sind wirklich rührend um ihr Leben besorgt. Seit Beginn unserer Bekanntschaft haben Sie sich in mancher Hinsicht verändert.« Ehe der Franzose antworten konnte, befahl er scharf: »Lassen Sie sofort meine Offiziere und Matrosen frei und geben Sie ihnen die Waffen wieder!« Und als es in Witrands Augen wütend aufblitzte, sagte er grob: »Sie haben keine Wahl,
m’sieur
.
Und wenn wir heute sterben sollen, dann möchte ich das lieber mit dem Degen in der Hand.«
Witrand nickte. »Das ist wahr. Einverstanden.«
»Dann lassen Sie Senior Pareja nach achtern bringen. Er kann dolmetschen.«
Witrand winkte bereits einen Matrosen heran. »Und der Wind?«
fragte er. »Wird Wind aufkommen?«
»Gegen Abend vielleicht, wenn es kühler wird.« Bolitho sah ihn bedeutsam an. »Aber wenn wir es nicht schaffen, dann spielt auch das keine Rolle mehr.«
Minuten später waren Meheux und die anderen bei ihm auf der Kampanje. Ashton hatte noch Schmerzen und stützte sich schwer auf des Leutnants Arm.
Auf dem Hauptdeck sah Bolitho den ebenfalls befreiten Unteroffizier McEwen sowie sechs Matrosen – die anderen waren wohl noch so betrunken, daß sie nicht hochzukriegen waren. Vielleicht starben sie, ohne eine Ahnung zu haben, was überhaupt los war… Um so besser für sie, dachte Bolitho.
»Sie brauchen mich, Captain?« Das war Luis Pareja, schüchtern und furchtsam. Bolitho lächelte ihn freundlich an. Er war unter Bewachung gewesen, hatte also keine privaten Abmachungen mit dem Franzosen getroffen. »Sie müssen jedem sagen, was ich von ihm will«, erklärte Bolitho, und Pareja warf einen angstvollen Blick über die Reling. »Von Ihnen wird sehr viel abhängen, Senor. Davon, wie Sie sprechen, und was Sie dabei für ein Gesicht machen.« Er lächelte wieder. »Also gehen wi r zusammen aufs Achterdeck, ja?«
Pareja blinzelte zu ihm empor.
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