Der stolze Orinoco
Sicherheit kann ich aber behaupten, daß jener Indianer mich noch niemals gesehen hat, denn ich bin zum erstenmale nach Carida gekommen.«
Jacques Helloch und Jean waren verwundert über den wahrhaftigen Ton, mit dem der Spanier sprach; das konnte sie aber nicht überraschen, da sie aus seiner Antwort erfuhren, daß dieser Mann in seiner Jugend eine bessere Erziehung genossen hatte. Sie erklärten sich deshalb bereit, einen Indianer an seiner Stelle zur Hilfeleistung auf der »Gallinetta« anzustellen, ihn aber auf einer der Piroguen als Passagier an Bord zu behalten.
Jorres sprach den beiden Franzosen dafür seinen Dank aus. Einmal jedoch an der Arbeit als Ruderer, die er nun bis zum Rancho von Carida versehen hatte, wollte er diese Stellung auch bis zu den Quellen des Stromes beibehalten.
»Und, fügte er hinzu, sollte ich dann nicht in das Personal der Mission eintreten können, so würde ich Sie, meine Herren, bitten, mich in Ihre Dienste und bis San-Fernando wieder mit zurückzunehmen – ja am liebsten bis nach Europa, wenn Sie einst dahin zurückkehren.«
Der Spanier sprach mit ruhiger, doch ziemlich scharfer Stimme, obgleich er diese zu mildern bemüht schien. Der Ton paßte aber zu seinen etwas groben Zügen, zu dem entschlossenen Gesichtsausdruck, dem großen Kopfe mit schwarzen Haaren, dem dunkeln Teint und zu seinem Munde, dessen schmale Lippen kaum die sehr weißen Zähne bedeckten.
Er zeigte jedoch auch noch eine andre Eigenthümlichkeit, die bisher Allen entgangen war und die von diesem Tage an von Jacques Helloch vielfach beobachtet wurde: einen ganz seltsamen Blick nämlich, den er zeitweilig auf den jungen Mann richtete. Das legte die Frage nahe, ob er vielleicht das Geheimniß Jeanne von Kermor’s, von dem doch weder Valdez und Parchal, noch einer von den Leuten der Besatzung das Geringste ahnten, entdeckt haben könnte.
Dieser Gedanke machte Jacques Helloch recht unruhig und veranlaßte ihn, den Spanier scharf im Auge zu behalten, obgleich weder das junge Mädchen, noch der Sergeant Martial irgend welchen Verdacht geschöpft hatte. Wenn der Verdacht Jacques Helloch’s zur Gewißheit werden sollte, würde es ja Zeit sein, entschieden einzugreifen und sich von Jorres zu befreien, der in einem beliebigen Dorfe, etwa bei la Esmeralda, wenn die Piroguen daselbst landeten, ausgesetzt werden konnte. Dafür brauchte ihm auch gar kein Grund angegeben zu werden; Valdez hatte einfach seine Rechnung mit ihm zu begleichen, und jener konnte sich dann nach der Mission Santa-Juana durchschlagen, wie es ihm beliebte.
Bezüglich dieser Mission drängte es Jean jedoch, den Spanier über das auszuforschen, was er etwa davon wissen könnte, und so fragte er ihn, ob er wohl den Pater Esperante, bei dem er sich niederlassen wollte, schon kenne.
»Jawohl, Herr von Kermor, antwortete Jorres nach leichtem Zögern.
– Haben Sie ihn gesehen?
– Gewiß, in Caracas.
– Zu welcher Zeit?
– Im Jahre 1879, wo ich mich an Bord eines Kauffahrers befand.
– War das das erste Mal, daß der Pater Esperante nach Caracas kam?
– Ja… das erste Mal… und von da zog er weiter, um die Mission Santa-Juana zu errichten.
– Was für ein Mann ist er wohl, mischte sich hier Jacques Helloch ein, oder vielmehr, was für ein Mann war er damals?
– Ein Mann in den fünfziger Jahren, von hohem Wuchs, großer Körperkraft und mit schon ergrauendem Vollbart, der jetzt ganz weiß sein dürfte. Man sah es ihm an, daß er ein entschlossener, energischer Charakter war, wie es im allgemeinen die Missionäre sind, die ihr Leben daran wagen, die Indianer zu bekehren…
– Ein edler Beruf, sagte Jean.
– Der schönste, den ich kenne!« erwiderte der Spanier.
Das Gespräch fand mit dieser Antwort sein Ende, auch war die Zeit zum Besuche des Rancho herangekommen. Der Sergeant Martial und Jean, sowie Jacques Helloch und Germain Paterne begaben sich ans Ufer und wanderten dann durch die Mais-und Maniocselder hin nach der Wohnstätte, die der Indianer mit seiner Frau einnahm.
Diese Hütte war sorgfältiger gebaut, als man es sonst bei den Strohhütten der Indianer der Umgegend beobachtet. Sie enthielt einige Möbel, Hängematten, Geräthe für den Ackerbau und die Küche, einen Tisch, mehrere als Schrank dienende Körbe und ein halbes Dutzend Schemel.
Der Baré begrüßte seine Gäste, denn seine Frau war des Spanischen nicht mächtig, das er ganz geläufig sprach.
»Hab ich Sie nicht schon einmal gesehen?« (S.
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