Der stolze Orinoco
westliche Brise wehte, konnten die Segel durch diese Irrgänge doch unmöglich benutzt werden. Außerdem stürzte wiederholt ein gewaltiger Regen herab, und die Passagiere mußten daher lange Stunden unter den Deckhäusern aushalten.
Oberhalb jener Felsen folgten sogleich die Stromschnellen von San-Barbara, die die Piroguen aber ohne vorherige Entlastung überwinden konnten. An dieser Stelle sah man nichts von den Ruinen eines alten, von Chaffanjon erwähnten Dorfes, ja es sah aus, als ob dieser Theil des linken Stromufers niemals von seßhaften Indianern besiedelt gewesen wäre.
Erst jenseits der Flußenge von Cangreo konnte die Schifffahrt unter normalen Verhältnissen wieder aufgenommen werden, was den Falcas gestattete, am Nachmittage des 6. October das Dorf Guachapana zu erreichen, wo sie ans Ufer gingen.
Wenn die Schiffer Valdez und Parchal schon hier Halt machten, so geschah es nur, um den Mannschaften einen halben Tag und eine Nacht zum gründlichen Ausruhen zu gönnen.
Guachapana besteht nämlich einzig aus einem halben Dutzend längst verlassener Strohhütten. Das kommt daher, daß die den Platz umgebende Savanne geradezu verpestet ist von Termiten, deren Bauten bis zu zwei Meter hoch sind. Gegen einen solchen Ueberfall durch jene »Holzläuse« giebt es keine andre Rettung, als ihnen den Platz zu überlassen, und das hatten die Indianer auch gethan.
»Das offenbart, bemerkte Germain Paterne, die Macht des unendlich Kleinen. Nichts widersteht den winzigen Bestien, wenn sie zu Myriaden auftreten. Eine Bande Tiger oder Jaguare kann man schließlich zurücktreiben, man kann das Land von ihnen säubern, wandert wegen des Raubgesindels aber nicht aus…
– Wenigstens, wenn man kein Piaroa-Indianer ist, flocht Jean ein, denn nach dem, was ich gelesen habe…
– Ja, ja; doch ergreifen die Piaroas unter solchen Umständen die Flucht mehr aus Aberglauben, als aus Furcht, setzte Germain Paterne hinzu, während jene Ameisen, jene Termiten ein Land ganz unbewohnbar machen.«
Gegen fünf Uhr glückte es den Leuten von der »Moriche«, eine Schildkröte von der Terecaïe genannten Art zu fangen. Dieser Chelonier diente zur Bereitung einer vortrefflichen Suppe und eines ebenso schmackhaften Fleischgerichts, das die Indianer als »Sancoco« zu bezeichnen pflegen. Außerdem – und das erlaubte, an den mitgeführten Vorräthen der Falcas zu sparen – warteten am Saume der nahegelegenen Wälder Affen, Wasser-und Bisamschweine nur auf einen Flintenschuß, um auf der Tafel der Passagiere zu erscheinen. Ananas und Bananen konnte man überall pflücken. Ueber das Uferland flatterten geräuschvoll Schwärme von Wildenten, Hoccos (Baumhühner) mit weißlichem Bauche und schwarze wilde Hühner dahin. Das Wasser wimmelte von Fischen, die hier so zahlreich sind, daß die Indianer sie mit Pfeilen tödten. Binnen einer Stunde hätten die Boote der Piroguen damit gefüllt werden können.
Nahrungssorgen brauchen sich Reisende auf dem obern Orinoco also niemals zu machen.
Oberhalb Guachapanas beträgt die Breite des Stromes überall nicht mehr als fünfhundert Meter. Trotzdem ist sein Bett häufig von Inseln unterbrochen, die dann »Chorros« erzeugen, heftige Stromschnellen, deren Wellen sich mit belästigendem Ungestüm hinabwälzen. Die »Moriche« und die »Gallinetta« kamen an diesem Tage nicht weiter, als bis zur Insel Perro de Agua, wo sie aber auch erst mit einbrechender Nacht eintrafen.
Vierundzwanzig Stunden später, nach einem sehr regnerischen Tage und häufigen Störungen durch Umspringen des Windes – wodurch es oberhalb der Insel Camucapi sich mittelst der Palancas fortzuarbeiten galt – erreichten die Reisenden die Lagune von Carida.
Früher lag an dieser Stelle ein Dorf, das aber verlassen worden war, als ein Piaroa unter dem Zahne eines Tigers umgekommen war, wie das auch von Chaffanjon bestätigt wird. Der französische Reisende fand in diesem Dorfe übrigens nur wenige Hütten, die damals ein Baré-Indianer bezogen hatte, der minder abergläubisch und auch kein so lächerlicher Prahlhans war, wie seine Stammesverwandten. Dieser Baré legte einen Rancho an, den Jacques Helloch und seine Begleiter jetzt in gedeihlichstem Zustande fanden. Der Rancho umfaßte Felder mit Mais, Manioc, nebst Anpflanzungen von Bananen, Tabak und Ananas. Im Dienste des Indianers und seiner Frau standen wohl ein Dutzend Bauern, die in Carida mit jenen im besten Einvernehmen lebten.
Die Einladung des wackern Mannes, sein
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