Der stolze Orinoco
dazu bot sich in Danaco günstige Gelegenheit.
Die Passagiere blieben die Nacht über am Fuße des Uferrandes an der Südseite der Insel Mavilla, ohne daß ihre Ankunft dem Commissar sofort gemeldet worden wäre.
Am nächsten Tage steuerten die Piroguen mit dem ersten Frühroth über den schmäleren Arm des Stromes und legten sich an einer Art Schiffbrücke fest, die jedenfalls zur Beladung und Löschung von Fahrzeugen diente.
Danaco war jetzt ein Dorf, nicht mehr ein einfacher Rancho, als welchen es der französische Reisende (Chaffanjon) noch verzeichnet hatte.
Dank der verständnißvollen Thätigkeit Manuel Assomption’s war die Ansiedlung in einigen Jahren auffallend gewachsen und versprach bei ihrem blühenden Zustande noch weiter zuzunehmen. Es war von dem Mestizen ein glücklicher Gedanke gewesen, seinen früheren »Sitio« in Guachapana aufzugeben, wo er wegen der geringeren Entfernung San-Fernandos von dem Gouverneur daselbst ärgerlichen Vexationen leicht ausgesetzt war. In Danaco war er nahezu ganz frei, konnte sich seinen Handelsgeschäften nach Belieben widmen, und diese Ungebundenheit hatte denn auch zu recht glücklichen Ergebnissen geführt.
Frühzeitig am Morgen erhielt Manuel Kenntniß von dem Eintreffen der Piroguen. Von einigen seiner Leute begleitet, kam er jetzt herbei, um die Reisenden zu begrüßen.
Auch diese gingen ihm ein Stück entgegen, und Jean hielt es für angezeigt, ihm eines der Empfehlungsschreiben zu überreichen, die der Gouverneur von San-Fernando dem jungen Mann für die Commissare am obern Orinoco eingehändigt hatte.
Manuel Assomption nahm den Brief, durchlas ihn, sagte darauf aber mit einigem Selbstbewußtsein:
»Es hätte für mich dieses Briefes nicht bedurft, um Fremden, die in Danaco Halt machen, einen wohlwollenden Empfang zu bereiten. Reisende, und vor allem Franzosen, können stets darauf rechnen, in unsern venezuolanischen Dörfern willkommen zu sein.
– Nehmen Sie dafür unsern Dank, Herr Manuel, antwortete ihm Jacques Helloch. Die Ausbesserung einer Havarie, die eine unsrer Falcas erlitten hat, wird uns aber nöthigen, achtundvierzig Stunden lang hier liegen zu bleiben…
– O, gern acht Tage lang, mein Herr, wenn Sie es wünschen. Danaco steht immer den Landsleuten des Franzosen Truchon offen, dem die Pflanzer am obern Orinoco so viel Dank schuldig sind.
– Wir wußten im voraus, daß wir hier gute Aufnahme finden würden, Herr Manuel, bemerkte Jean.
– Und woher wußten Sie das, junger Freund?
– Weil Sie die Gastfreundschaft, die Sie uns anbieten, schon vor fünf Jahren einem unsrer Landsleute, der bis zu den Quellen des Orinoco vordrang, in gleich freundlicher Art erwiesen haben.
– Ah, Sie sprechen von Herrn Chaffanjon! rief der Commissar. Ja, das war ein kühner Forscher, den ich ebenso wie seinen Begleiter Moussot im besten Andenken habe…
– Und der sich Ihrer, Herr Manuel, mit aller Wärme erinnert, fiel Jean ihm ins Wort, ebenso wie der Dienste, die Sie ihm geleistet haben, wie er sich in seinem Reiseberichte darüber äußert.
– Besitzen Sie vielleicht dieses Buch? fragte Manuel mit lebhafter Neugier.
– Gewiß, antwortete Jean, und wenn Sie es wünschen, will ich Ihnen gern die betreffenden Stellen übersetzen.
– Das würde mir viel Vergnügen machen,« versicherte der Commissar, indem er den Passagieren der Falcas die Hände entgegenstreckte.
In dem betreffenden Berichte wird nicht nur des Herrn Manuel Assomption und seines Anwesens in Danaco rühmlichst gedacht, sondern auch des Herrn Truchon, dem es die Franzosen zu verdanken haben, daß sie am Oberlaufe des Orinoco in so gutem Ansehen stehen.
Der genannte Truchon hatte nämlich vor einigen vierzig Jahren im Gebiete des obern Orinoco eine Ansiedlung gegründet. Vorher verstanden sich die Indianer nun noch gar nicht auf die Gewinnung des Kautschuks; durch das Verfahren, das er einführte, wurde die sehr ausgiebige Ausbeute der betreffenden Bäume dagegen zum reichen Segen für diese entlegenen Landestheile. Daher rührt die gerechtfertigte Beliebtheit des französischen Namens in allen Provinzen, wo jene Cultur die Hauptindustrie bildet.
Manuel Assomption zählte jetzt sechzig Jahre. Er bot das Bild eines noch kraftvollen Mannes mit stark gebräunter Haut, intelligenten Zügen und lebhaften Augen, eines Mannes, der sich, weil er zu befehlen verstand, Gehorsam zu erzwingen wußte, der aber andrerseits gütig, aufmerksam, ja zuvorkommend gegen die in seinem Rancho
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