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Der stolze Orinoco

Der stolze Orinoco

Titel: Der stolze Orinoco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Ventuari bietet das von Felsen durchsetzte Flußbett der Schifffahrt ernste Schwierigkeiten, und es wäre unklug gewesen, sich diesen bei Annäherung der Dunkelheit auszusetzen.
    Das Abendessen wurde gemeinschaftlich verzehrt. Der Sergeant konnte jetzt, wo Jeans Geheimniß seinen beiden Landsleuten bekannt war, dagegen nichts mehr einwenden. Jacques Helloch und Germain Paterne bewahrten in ihrem Auftreten dem jungen Mädchen gegenüber auch die äußerste Zurückhaltung. Sie hätten sich, vorzüglich Jacques Helloch, ernste Selbstvorwürfe gemacht, wenn sie sich zu sehr aufgedrängt hätten. Bei dem Genannten war das nicht etwa die Folge von Verlegenheit, sondern die einer eigenthümlichen Empfindung, die sich in Gegenwart des Fräuleins von Kermor seiner stets bemächtigte. Letzterer konnte das gar nicht entgehen, sie wollte aber darauf nicht besonders achten und benahm sich ebenso ungezwungen und offenherzig wie bisher. Wenn der Abend kam, lud sie die beiden jungen Männer ein, nach ihrer Pirogue herüberzukommen. Dann plauderte die kleine Gesellschaft von den Erlebnissen während der Fahrt, von den Möglichkeiten, die ihnen die nächste Zeit noch bieten könnte, von den Aussichten auf endlichen Erfolg und von den Aufklärungen, die in der Mission von Santa-Juana jedenfalls zu erhalten sein würden.
    »Der Name ist schon von guter Vorbedeutung, bemerkte Jacques Helloch. Ja gewiß, von guter Vorbedeutung, weil er auch der Ihrige ist… Fräulein.
    – Herr Jean, wenn ich bitten darf, Herr Jean! unterbrach ihn das junge Mädchen, während der Sergeant Martial die Brauen drohend zusammenzog.
    – Jawohl, Herr Jean!« antwortete Jacques Helloch, nachdem er noch durch eine Handbewegung angedeutet hatte, daß ihn keiner von der Mannschaft der Falca habe hören können.
    Am laufenden Abend drehte sich das Gespräch um den Nebenfluß, an dessen Mündung die Piroguen sich für die Nacht festgelegt hatten.
    Es ist das einer der bedeutendsten Zuflüsse des Orinoco. An einer der stärksten Biegungen seines ganzen hydrographischen Systems, einem fast spitzen, weit vorspringenden Winkel, führt er diesem durch sieben, ein Delta bildende Arme eine ungeheure Wassermasse zu. Der Ventuari kommt aus den von Nordost bis Südwest sich ausdehnenden Gebieten her, wird von den unerschöpflichen Quellen der guyanesischen Anden gespeist und bewässert die Landstrecken, die in der Hauptsache von den Macos-und den Mariquitare-Indianern bevölkert sind. Sein Wasserzufluß ist also weit mächtiger als der der linksufrigen Nebenflüsse, die sich nur langsam durch ebene Savannen winden.
    Das veranlaßte Germain Paterne, der dabei leicht mit den Schultern zuckte, zu der Bemerkung:
    »Nun wahrlich, hier hätten die Herren Miguel, Felipe und Varinas ein würdiges Streitobject! Der Ventuari machte ihrem Atabapo und ihrem Guaviare gewiß mit Erfolg den Rang streitig, und wären die Herren hier, so hätten wir zweifellos die Beweisgründe, die sie mit dem Brustton der Ueberzeugung anzuführen lieben, die ganze Nacht über mit anzuhören.
    – Höchst wahrscheinlich, stimmte Jean ein, denn dieser Wasserlauf ist der bedeutendste der ganzen Gegend.
    – Wahrhaftig, rief Germain Paterne, ich fühle schon, daß der Dämon der Hydrographie in mein armes Gehirn einzieht. Warum sollte denn der Ventuari nicht der eigentliche Orinoco sein?
    – Wenn Du glaubst, daß ich mich auf eine Erörterung dieser Frage einlassen sollte… erwiderte Jacques Helloch.
    – Und warum nicht? – Sie verdient das ebenso gut, wie die der Herren Felipe und Varinas…
    – Sage lieber, sie verdient das ebenso wenig…
     

    Valdez ging auf das Anerbieten ein. (S. 236.)
     
    – Ja warum denn?
    – Weil der Orinoco eben der Orinoco ist und bleibt!
    – Eine hübsche Beweisführung, Jacques!
    – Ihre Anschauung, Herr Helloch, fragte Jean, deckt sich also mit der des Herrn Miguel?
    – Vollständig, lieber Jean.
    – Armer Ventuari! stieß Germain Paterne lachend hervor. Ich sehe, daß Dir keine Aussichten blühen und gebe Dich also auf!«
    Die drei Tage des 4., 5. und 6. October erforderten von Seiten der Mannschaften eine ganz außerordentliche Anstrengung, entweder beim Schleppen und Aufholen der Fahrzeuge oder bei der Handhabung der Pagaien und der Palancas. Nach der Piedra Pintada mußten die Piroguen sieben bis acht Kilometer weit durch ein Labyrinth von Inseln und Felsblöcken bugsiert werden, was das Fortkommen sehr verlangsamte und erschwerte. Obgleich noch immer eine

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