Der stolze Orinoco
Anwesen zu besichtigen, konnte man nicht wohl abschlagen. Er kam an Bord der Piroguen, als diese kaum erst angelegt hatten. Als ihm ein Gläschen Aguardiente angeboten wurde, nahm er es nur unter der Bedingung an, daß die Fremden in seiner Hütte ein Glas Tafia trinken und Cigaretten von seinem »Tabori« rauchen würden. Es hätte doch einen schlechten Eindruck gemacht, diese Einladung nicht anzunehmen, und die Passagiere versprachen deshalb, nach dem Mittagsmahle den Rancho aufzusuchen.
Da ereignete sich noch ein kleiner Zwischenfall, dem indeß niemand weder besondere Bedeutung beilegte, noch solche beilegen konnte.
Eben als er die »Gallinetta« wieder verlassen wollte, blieb der Blick des Baré auf einem von der Mannschaft haften, auf jenem Jorres, den der Schiffer in San-Fernando angeworben hatte.
Der Leser erinnert sich, daß der Spanier dort seine Dienste nur anbot, weil er sich nach der Mission von Santa-Juana begeben wollte.
Nachdem der Baré ihn mit einer gewissen Neugierde betrachtet hatte, sprach er den Mann direct an.
»Sagen Sie, guter Freund, hab ich Sie nicht schon irgendwo gesehen?«
Jorres runzelte ein wenig die Stirn.
»Hier wenigstens nicht, Indianer, antwortete er hastig, denn ich bin noch nie nach Euerm Rancho gekommen.
– Das ist merkwürdig! Bei Carida kommen doch nur wenige Fremde vorbei, und man vergißt ihr Gesicht nicht so leicht, wenn man’s auch nur ein einzigesmal gesehen hatte.
– Vielleicht haben Sie mich in San-Fernando getroffen, erwiderte der Spanier.
– Seit wie lange waren Sie da?
– Seit… seit drei Wochen.
– Dann ist das unmöglich, denn ich bin seit reichlich zwei Jahren nicht in San-Fernando gewesen.
– Dann täuscht Ihr Euch, Indianer; Ihr habt mich noch nie gesehen, erklärte der Spanier in schroffem Tone, und ich befahre jetzt zum erstenmale den obern Orinoco.
– Ich will Ihnen ja glauben, antwortete der Baré, und doch…«
Hiermit endete das Gespräch, und wenn Jacques Helloch auch dessen Schlußworte hörte, machte er sich doch keinerlei Gedanken darüber. Warum sollte Jorres denn zu verleugnen haben, daß er schon einmal nach Carida gekommen sei, wenn das wirklich der Fall gewesen war?
Valdez konnte den Mann obendrein nur loben, der vor keiner Arbeit, so anstrengend sie auch sein mochte, zurückschreckte und überall ebensoviel Kraft wie Behendigkeit entwickelte. Höchstens konnte man beobachten – – ohne ihm daraus einen Vorwurf zu machen – daß er sich von den Andern etwas abgesondert hielt, wenig sprach und dafür mehr auf Alles lauschte, was zwischen den Passagieren oder den Mannschaften gesprochen wurde.
In Folge jenes Austausches von Worten zwischen dem Baré und Jorres kam Jacques Helloch indeß auf den Gedanken, letzteren zu fragen, aus welchem Grunde er gerade nach Santa-Juana zu gehen beabsichtigte.
Jean, der sich ja lebhaft für Alles interessierte, was diese Mission anging, erwartete gespannt die Antwort des Spaniers.
Dieser sagte da sehr einfach und ohne eine Spur von Verlegenheit zu verrathen:
»Ich war von Kindheit an für die Kirche bestimmt und bin auch Novize im Kloster der Mercedes in Cadix gewesen. Da packte mich jedoch das Reisefieber; ich habe mehrere Jahre auf Schiffen des Staates gedient. Mit der Zeit wurde ich dessen aber überdrüssig, mein erster Beruf erschien mir wieder verlockender und deshalb gedachte ich, in eine Mission einzutreten. Vor sechs Monaten befand ich mich in Caracas noch auf einem Handelsschiffe, als ich von der vor mehreren Jahren vom Pater Esperante gegründeten Mission Santa-Juana reden hörte. Da kam mir der Gedanke, in diese einzutreten, denn ich zweifelte keinen Augenblick, in dieser blühenden Anstalt Aufnahme zu finden. So verließ ich denn Caracas und vermiethete mich als Ruderer, bald auf der einen, bald auf der andern Falca, bis ich in dieser Weise nach San-Fernando gelangte. Hier wartete ich auf eine Gelegenheit, den obern Orinoco hinauf zu fahren, und meine Hilfsmittel, das heißt, was ich während der Reise gespart hatte, waren nahezu erschöpft, als Ihre Piroguen dort am Orte vor Anker gingen. Schnell hatte sich in San-Fernando die Nachricht verbreitet, daß der Sohn des Oberst von Kermor, in der Hoffnung, seinen Vater wiederzufinden, im Begriff stehe, nach Santa-Juana aufzubrechen. Da ich nun auch gehört hatte, daß der Schiffer Valdez einige Leute zur Vervollständigung seiner Mannschaft sachte, bot ich mich ihm an, und so bin ich nun auf der »Gallinetta«. Mit
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