Der stolze Orinoco
den Commissar selbst eine weitere, naheliegende Frage zu stellen.
»Kennen Sie etwa diesen Mann? sagte er.
– Nein, erwiderte Herr Manuel. Ist er schon früher nach dem obern Orinoco gekommen?
– Ein Baré-Indianer behauptet, ihn in Carida gesehen zu haben, obwohl Jorres versichert, dort noch niemals gewesen zu sein.
– Mir kommt er hier bestimmt das erste Mal vor Augen, fuhr der Commissar fort, und er fiel mir nur auf, weil man ihn unmöglich mit einem Indianer verwechseln kann. Sie sagen, daß er sich nach Santa-Juana begiebt?
– Es schien ihm daran gelegen, in den Dienst der Mission einzutreten, denn er hatte schon sein Noviciat hinter sich, als er als Seemann die Welt zu durchstreifen begann. Seiner Aussage nach kennt er den Pater Esperante, den er schon vor zwölf Jahren in Caracas gesehen haben will, und das mag wohl richtig sein, denn er hat uns von jenem Missionär ganz dasselbe Bild entworfen, wie Sie, Herr Manuel.
– Na, es kommt ja darauf nicht viel an, wenn er nur jetzt seine Stelle ordentlich ausfüllt. Freilich soll man hierzulande allen Abenteurern mißtrauen, die irgendwoher kommen und irgendwohin gehen wollen.
– Eine Warnung, die ich mir hinters Ohr schreiben werde, Herr Manuel, versicherte Jacques Helloch. Ich werde den Spanier stets scharf im Auge behalten!«
Es ließ sich zwar nicht sagen, ob Jorres gehört hatte, was hier mit Beziehung auf ihn gesagt worden war; jedenfalls ließ er sich’s nicht merken, obwohl seine Augen wiederholt in seltsamer Gluth, die er nicht zu dämpfen vermochte, dabei aufflammten. Obgleich dann nicht mehr von ihm die Rede war, als sich der Commissar und die Reisenden der »Gallinetta« näherten, die jetzt neben der »Moriche« vertäut lag, lauschte er doch noch immer möglichst unauffällig auf jedes Wort, das in der kleinen Gruppe fiel.
Das Gespräch drehte sich jetzt um die Nothwendigkeit, die Piroguen tadellos in Stand zu haben, wenn es sich darum handelte, die im obern Theil des Flußbetts oft sehr starke Strömung zu bewältigen, und Herr Manuel wies auf diese Anforderung mit großem Nachdruck hin.
»Sie werden noch auf Raudals stoßen, sagte er, die zwar weniger lang und gefährlich als die von Apure und Maipure sind, der Schifffahrt aber doch ernstliche Schwierigkeiten bieten. Gelegentlich müssen die Fahrzeuge sogar über Klippen hinweggeschleppt werden, was sie leicht zur Weiterbenutzung untauglich machen kann, wenn sie nicht ganz solid gebaut sind. Ich sehe, daß bei der des Sergeanten Martial nichts vernachlässigt worden ist, doch ist denn die Ihrige, Herr Helloch, nicht auch gründlich untersucht worden?…
– Ich hoffe es wenigstens, Herr Manuel, denn ich hatte es ausdrücklich empfohlen. Parchal hat sich gewiß überzeugt, daß der Boden der »Moriche« fest ist. Wir dürfen also annehmen, daß die beiden Falcas ohne Beschädigung über die Raudals hinwegkommen und auch den Chubascos gut widerstehen werden, wenn diese selbst, wie Sie sagen, weiter oben noch ebenso schrecklich auftreten, wie weiter unten…
– Das ist auch richtig, versicherte der Commissar, und wenn die Schiffsmannschaften den Strom nicht genau kennen, werden sie kaum den Gefahren derselben trotzen können. Das sind überdies noch nicht die schlimmsten…
– Welche denn? fragte der Sergeant Martial etwas beunruhigt.
– Nun die, die das Vorkommen von Indianern längs der Ufer mit sich bringt.
– Sie haben dabei doch nicht die Guaharibos im Sinne, Herr Manuel? sagte Jean.
– O nein, liebes Kind, antwortete der Commissar lächelnd, diese Indianer sind ganz harmloser Natur. Ich weiß, daß sie früher für gefährlich galten. Gerade 1879, zur Zeit, wo der Oberst von Kermor also nach den Quellen des Orinoco hinaufgegangen wäre, schrieb man ihnen die Zerstörung mehrerer Dörfer und die Ermordung der Bewohner derselben zu…
– Mein Vater hätte sich also gegen Ueberfälle dieser Guaharibos zu vertheidigen gehabt, rief Jean, und könnte ihnen dabei vielleicht gar in die Hände gefallen sein…
– Nein, nein! beeilte sich Jacques Helloch zu versichern. Jedenfalls hat Herr Manuel davon nie etwas gehört.
– Niemals, Herr Helloch, niemals, mein liebes Kind! Ich wiederhole Ihnen übrigens: Ihr Vater kann gar nicht ein Opfer jener Indianersippen geworden sein, weil diese ihren übeln Ruf vielleicht gar nicht, seit den letzten fünfzehn Jahren aber gewiß nicht verdient haben.
– Haben Sie selbst mit ihnen zu thun gehabt? fragte Germain Paterne.
– Ja
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