Der stolze Orinoco
erspart bleiben!
An diesem Morgen, zur Stunde der Abfahrt, hatte sich Jeanne von Kermor an Jacques Helloch, als sie allein waren, mit folgenden Worten gewendet:
»Sie haben mir nicht allein das Leben gerettet, Herr Helloch, sondern wollen auch meine Bemühungen zur Auffindung meines Vaters freundlich unterstützen. Mein Herz ist voller Dankbarkeit! Ich weiß nicht, wie ich Ihnen das jemals entgelten soll…
– O, sprechen wir nicht von Dankbarkeit, geehrtes Fräulein, antwortete Jaques Helloch. Unter Landsleuten sind solche kleine Dienste nur eine Pflicht, und diese Pflicht bis zum Ende zu erfüllen, wird mich nichts abhalten können!
– Vielleicht gehen wir aber neuen und sehr ernsten Gefahren entgegen, Herr Jacques!
– Nein, das fürchte ich nicht. Uebrigens wäre das für mich nur ein weiterer Grund, Fräulein von Kermor nicht zu verlassen. Ich… Sie verlassen… denn – setzte er mit einem Blick auf das junge Mädchen, das die Augen niederschlug, hinzu – das… das haben Sie mir doch zu verstehen geben wollen.
– Herr Helloch… ja… ich wollte… ich mußte es… Ich kann Ihren Edelmuth nicht mißbrauchen. Allein hatte ich mich auf diese weite Reise begeben… Gott hat Sie mir in den Weg gesendet, und ich danke ihm dafür aus Herzensgrund… doch…
– Doch Ihre Pirogue erwartet Sie, mein Fräulein, wie mich die meinige, und beide werden zusammen dem Ziele zustreben. Ich habe diesen Beschluß mit gutem Bewußtsein gefaßt, und was ich einmal zu thun beschlossen habe, das führ’ ich auch aus! Wenn Sie dafür, daß ich Sie diese Fahrt allein fortsetzen ließe, keine andern Gründe haben, als die Gefahren, die Sie andeuten…
– Herr Jacques, fiel Fräulein von Kermor lebhaft ein, welch andre Gründe könnt’ ich dazu haben?…
– Nun also, Jean, mein lieber Jean – ich muß Sie ja noch so nennen – sprechen wir nicht mehr von einer Trennung, und nun muthig vorwärts!«
Das Herz klopfte ihm mächtig, diesem »lieben Jean«, während er nach der »Gallinetta« zurückkehrte. Und als Jacques Helloch wieder zu seinem heimlich lächelnden Freunde kam, empfing ihn dieser mit den Worten:
»Ich möchte gleich darauf wetten, daß Fräulein von Kermor Dir gedankt hat für das, was Du für Sie gethan hast, und daß sie Dich gleichzeitig bat es damit genug sein zu lassen…
– Ich hab’ ihr das aber abgeschlagen, rief Jacques Helloch. Ich werde sie nie und nimmer verlassen!
– Sapperment, das ist viel gesagt!« erwiderte einfach Germain Paterne, der den Freund leicht auf die Schulter klopfte.
Daß der letzte Theil der Reise den Insassen der Piroguen noch schwere Unannehmlichkeiten vorbehalten könnte, war nicht nur möglich, sondern sogar wahrscheinlich. Vorläufig hatten sie sich aber nicht zu beklagen. Der Wind hielt sich sehr stetig aus Westen, und die Falcas kamen mit ihren Segeln recht gut gegen die nicht unbedeutende Strömung auf.
An diesem Tage gelangte man, nach dem Vorüberkommen an mehreren Inseln, auf denen der Wind die Kronen der hohen Bäume beugte, gegen Abend nach der nahe einer Biegung des Orinoco gelegenen Insel Bayanon. Bei dem Ueberflusse an Proviant, den man der Freigebigkeit des Herrn Manuel Assomption und seiner Söhne verdankte, war es nicht nöthig, jagen zu gehen. Da ferner die Nacht besonders klar und vom Mond hell erleuchtet war, schlugen Parchal und Valdez vor, erst am nächsten Morgen Halt zu machen.
»Wenn der Strom frei von Klippen und Felsen ist, meinte Jacques Helloch dazu, und wenn Sie nicht fürchten, gegen einen Kiesel anzustoßen…
– Nein, nein, versicherte der Schiffer Valdez, wir müssen aber die schöne Witterung benutzen, um ein Stück stromaufwärts zu kommen. Es ist selten, daß man sich in dieser Jahreszeit so begünstigt sieht.«
Der Vorschlag war gut, er wurde angenommen, und die Piroguen sandten ihre Haltetaue nicht ans Land.
Die Nacht verstrich ohne Unfall, obgleich der ohnehin nur dreihundertfünfzig Meter breite Strom zuweilen durch eine Kette von Inselchen – vorzüglich bei der Mündung des Rio Guanami, eines Zuflusses am rechten Ufer – noch weiter eingeengt wurde.
Am Morgen befanden sich die »Gallinetta« und die »Moriche« in der Höhe der Insel Tremblador, wo Chaffanjon mit einem intelligenten und dienstwilligen Neger namens Ricardo in Beziehung getreten war. Dieser Neger aber, der damals den Titel eines Commissars des Cunucunuma und des Cassiquiare führte, hatte inzwischen seinen Wohnsitz gewechselt. Nach Aussage des
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