Der stolze Orinoco
das weitere Verfahren aufzuklären.
»Verweilten Sie noch einige Tage in Danaco, antwortete der Commissar, so würden Sie zunächst gesehen haben, daß der Gummisaft in den frühen Morgenstunden nach dem Einschneiden der Rinde nur langsam ausläuft. Es vergeht auch eine ganze Woche, ehe die Bäume ihren Saft ganz abgegeben haben.
– All dieses Gummi werden Sie also erst in acht Tagen eingebracht haben?
– Nein, Herr Paterne. Heut Abend schon bringt jeder Gomero die Ernte dieses Tages hierher und dann entzündet er sofort ein sehr rauchgebendes Feuer, um den Saft zum Gerinnen zu bringen. Nach dem Ausbreiten der dicken Flüssigkeit auf einem Brette setzt man dieses dem dichten Rauch von grünem Holze aus. Dabei bildet sich eine erste, mehr erhärtete Schicht, über die sich nach dem wiederholten Bestreichen des Brettes eine zweite lagert und so weiter. Auf diese Weise stellt man eine Art Laib aus Kautschuk her, der nun zum Versenden fertig ist.
– Und vor dem Eintreffen unsers Landsmanns Truchon, fragte Jacques, verstanden sich die Indianer ja wohl noch gar nicht auf dieses Verfahren?
– Gar nicht oder doch kaum, bestätigte der Commissar. Sie hatten nicht einmal eine Ahnung von dem Werthe dieses Naturerzeugnisses. Niemand konnte auch die Wichtigkeit voraussehen, die es für Handel und Gewerbe später gewinnen sollte. Der Franzose Truchon, der sich erst in San-Fernando und später in la Esmeralda aufhielt, war es, der den Indianern die Weiterbearbeitung des Kautschuksaftes lehrte, die in diesem Theile Amerikas jetzt ihre Hauptthätigkeit bildet.
»Vivat also Herr Truchon und Vivat das Land, dem er einst entsproß!« rief oder sang vielmehr Germain Paterne halblaut vor sich hin.
Darauf trank man voller Begeisterung erst auf die Gesundheit Truchon’s und dann auf das glückliche Gedeihen Frankreichs.
Am Nachmittage und nach mehrstündiger Ruhe ersuchte der Commissar seine Gäste, sich mit ihm nach dem kleinen Hafen hinunter zu begeben, wo an der Ausbesserung der Pirogue gearbeitet wurde. Er wollte sich selbst überzeugen, daß dabei nichts vernachlässigt würde.
So wanderten denn Alle durch die Felder des Rancho und lauschten dabei den Worten des Herrn Manuel, der von seiner Domäne mit dem berechtigten Stolze des Besitzers sprach.
Als man am Hafen angelangt war, sollte die inzwischen völlig reparierte »Gallinetta« eben wieder neben der »Moriche«, die an ihrem Haltetau leicht schaukelte, ins Wasser gesetzt werden.
Von ihren eignen Leuten und einigen Bauern unterstützt, hatten Valdez und Parchal die Arbeit sehr gut ausgeführt. Der Commissar sprach seine volle Befriedigung darüber aus und erklärte, daß ihm beide Falcas für die Fortsetzung der Fahrt jetzt in gleich gutem Zustande zu sein schienen.
Die »Gallinetta« brauchte nur noch über den Strand hin geschleppt zu werden. Wenn sie dann wieder schwamm, konnte das Deckhaus aufgesetzt, der Mast errichtet und endlich die vorher getragene Fracht u. s. w. neu verladen werden. Noch denselben Abend sollten der Sergeant Martial und Jean sie wieder beziehen und die Abreise sollte erfolgen, sobald sich der Horizont mit dem ersten Morgenscheine färbte.
Eben jetzt versank die Sonne hinter einer purpurnen Dunstwand, die das Eintreten von Westwind versprach – ein günstiger Umstand, der nicht unbenutzt gelassen werden durfte.
Während die Schiffsmannschaften und die andern Hilfskräfte Anstalt trafen, die »Gallinetta« wieder aufs Wasser zu setzen, lustwandelten Herr Manuel Assomption, dessen beide Söhne und die Passagiere der Piroguen am Strande auf und ab.
Unter den Leuten, die bei jener letzten Arbeit mit Hand anlegten, fiel dem Commissar zufällig Jorres auf, der sich von seinen Gefährten schon dem Aeußern nach so merkwürdig unterschied.
»Wer ist der Mann da? fragte er.
– Einer der Leute, die zur »Gallinetta« gehören, antwortete Jacques Helloch.
– Das ist aber kein Indianer…
– Nein, ein Spanier.
– Wo haben Sie ihn angeworben?
– In San-Fernando.
– Und er verdingt sich berufsmäßig als Flußschiffer auf dem Orinoco?
– Berufsmäßig wohl nicht; uns fehlte aber gerade ein Mann, und da jener die Absicht hatte, nach Santa-Juana zu gehen, und er sich uns zur Aushilfe anbot, hat ihn der Schiffer Valdez in Dienst genommen.«
Jorres hatte offenbar bemerkt, daß von ihm die Rede war, denn ohne seine Arbeit zu unterbrechen, lauschte er gespannt auf Alles, was hier gesprochen wurde.
Da kam es Jacques Helloch in den Sinn, an
Weitere Kostenlose Bücher