Der stolze Orinoco
dessen Wasser könnten sie genug verschlucken, sich zu überzeugen, daß es das des Orinoco ist!«
Es war gar lustig, Herrn Manuel mit solcher Lebhaftigkeit reden und so furchtbare Drohungen ausstoßen zu hören. Doch von jeder Uebertreibung abgesehen: der Besitzer des Rancho hielt auf seinen Strom und hätte ihn wohl bis aufs äußerste vertheidigt.
Gegen zehn Uhr abends verabschiedeten sich Jacques Helloch und sein Begleiter von der Familie Assomption, sagten dem Sergeanten Martial und Jean Gute Nacht und begaben sich nach ihrer Pirogue zurück.
Unwillkürlich oder in Folge einer Art Vorgefühls richteten sich die Gedanken Jacques Helloch’s auf Jorres. Es unterlag keinem Zweifel, daß dieser Spanier den Pater Esperante gekannt hatte und ihm in Caracas oder sonstwo begegnet war, da er ihn ganz so, wie eben jetzt Herr Manuel, geschildert hatte. Man konnte den Mann also nicht wohl beschuldigen, ein Zusammentreffen mit dem Missionär nur erfunden zu haben, um sich den Fahrgästen der Piroguen, die nach Santa-Juana wollten, aufzudrängen.
Dem entgegen stand freilich die Aussage des Baré-Indianers, der ja behauptete, daß Jorres bereits den Orinoco, mindestens bis zum Rancho von Carida, hinausgekommen sei, und er blieb dabei, auch trotz der Verneinungen des Spaniers. Fremdlinge, die durch die Gebiete des mittleren Orinoco kommen, sind nun nicht so zahlreich, daß man so leicht eine Verwechslung der Personen begehen könnte, wenn das auch einem Eingebornen gegenüber vielleicht am ehesten anzunehmen wäre. War es wirklich der Fall, hier, wo es sich um diesen Spanier mit dem so leicht wiedererkennbaren Gesicht handelte?…
Wenn Jorres aber schon nach Carida und folglich auch nach den Dörfern und Sitios unterhalb desselben gekommen war, warum leugnete er das? Welche Gründe hatte er, es zu verheimlichen? Was konnte es ihm bei denen schaden, die er nach der Mission Santa-Juana begleitete?
Vielleicht täuschte sich der Baré aber doch. Wenn einer sagt: »Ich hab’ Euch hier gesehen!« und ein andrer sagt: »Ihr könnt mich hier nicht gesehen haben, da ich niemals hierher gekommen bin!«, kann der Irrthum nicht wohl bei dem zweiten liegen.
Und dennoch wollte die Sache Jacques Helloch nicht aus dem Kopfe. Zwar flößte sie ihm keine Besorgniß um seiner selbst willen ein, doch Alles, was die Reise der Tochter des Oberst von Kermor betraf, was sie verzögern oder ihren Erfolg gefährden konnte, beschäftigte, beunruhigte und erregte ihn mehr, als er sich selbst zugestehen wollte.
Diese Nacht schlief er erst spät ein, und am nächsten Morgen mußte Germain Paterne ihn noch mit einem freundschaftlichen Rippenstoß wecken, als die Sonne schon etwas über den Horizont aufgestiegen war.
Viertes Capitel.
Die letzten Rathschläge des Herrn Manuel Assomption.
Kaum dürfte es nöthig sein, hier bei den Empfindungen Jacques Helloch’s seit jenem Tage zu verweilen, wo Jeanne an Stelle Jeans getreten war, seit dem Tage, wo die Tochter des Oberst von Kermor, nachdem sie vom Tode gerettet worden war, sich nicht mehr unter der Maske eines Neffen des Sergeanten Martial verstecken konnte.
Es ist wohl erklärlich, daß die Natur dieser Gefühle Jeanne von Kermor nicht entgehen konnte, zählte sie doch bereits zweiundzwanzig Jahre, wenn sie auch die Verkleidung als junger Mann erst als siebzehn Sommer alt erscheinen ließ.
Germain Paterne, der, wenn man seinem Gefährten glauben durfte, »von solchen Dingen nichts verstand«, hatte übrigens recht wohl bemerkt, welche immer zunehmende Veränderungen im Herzen Jacques Helloch’s vor sich gingen. Hätte er jetzt diesem gerade ins Gesicht gesagt: »Jacques, Du liebst Fräulein Jeanne von Kermor!« so wäre es sehr fraglich gewesen, ob Jacques zu antworten gewagt hätte: »Mein armer Junge, von solchen Dingen verstehst Du ja nichts!«
Die Operation selbst war höchst einfach. (S. 267.)
Germain Paterne wartete auch nur auf eine passende Gelegenheit, sich mit ihm darüber auszusprechen, und wäre es auch nur zu dem Zwecke, mit seiner eignen Person für die Ehre der Naturforscher, Botaniker und andrer Gelehrten einzutreten, die für die süßesten Empfindungen des Herzens gar nicht so unempfänglich sind, wie es die böse Welt zu behaupten liebt. Welchen Gedanken gab sich aber erst der Sergeant Martial hin, wenn er sich die verschiedenen Zufälligkeiten, die sich bisher ereignet hatten, vor Augen führte, wenn er sein Geheimniß entdeckt, seinen Plan gescheitert sah, wenn er
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