Der stolze Orinoco
ein kleiner Narr!
– Zugegeben; doch Du… Du bist verliebt, und das ist nur eine andre, nicht weniger unheilbare Narrheit.
– Auch das noch?… Du sprichst da von Dingen…
– Von denen ich kein Jota verstehe. Weiß schon! Doch unter uns, Jacques, wenn ich nichts davon verstehe, so hab’ ich doch ein Paar Augen, und ich weiß nicht, warum Du Dich bemühst, ein Gefühl zu verheimlichen, das mit Deiner wissenschaftlichen Aufgabe ja nichts gemein hat, und das ich übrigens ganz natürlich finde.
– Nun ja, alter Freund, gestand Jacques mit einer Stimme, die vor Erregung zitterte, ja, ich liebe dieses junge, so muthige Mädchen, und ist es denn etwas Wunderbares, daß die Theilnahme, die sie mir einflößte, sich entwickelt hat zur… Ja, ich liebe sie, werde sie niemals verlassen! Was daraus werden, wie es enden soll… ich weiß es nicht.
– Gut wird es enden!« antwortete Germain Paterne.
Er glaubte, dieser Versicherung nichts weiter hinzufügen zu sollen, sie brachte ihm aber den wärmsten Händedruck ein, den er von seinem Freunde jemals erhalten hatte.
Es ergiebt sich aus diesen wichtigen Nebendingen, daß es, wenn der Lauf des Cunucunuma jetzt nicht untersucht wurde, recht unsicher war, ob das bei der Rückkehr der Piroguen nachgeholt würde. Und doch hätte er es verdient, denn er ist eine bedeutende Wasserader, die eine malerische und reiche Gegend durchzieht. Ihre Mündung hat auch schon eine Breite von zweihundert Metern.
Am nächsten Tage setzten sich die »Gallinetta« und die »Moriche« wieder in Bewegung, und was bei dem Cunucunuma nicht geschehen war, das unterblieb ebenso bei dem Cassiquiare, dessen Mündung noch am Vormittag passiert wurde.
Es handelte sich hier übrigens um einen der wichtigsten Nebenflüsse des großen Stromes. Das Wasser, das er diesem durch eine Einbuchtung des Ufers zuführt, kommt aus den Abdachungen des Beckens des Amazonenstromes. Das hatte Humboldt erkannt, und schon vor ihm hatte der Naturforscher Solano sich überzeugt, daß zwischen den beiden Becken erst durch den Rio Negro und weiterhin durch den Cassiquiare eine Verbindung bestand.
Gegen 1725 war der portugiesische Kapitän Moraes, als er den Rio Negro bis unterhalb San-Gabriel, am Einflusse des Guaïria, hierauf diesen bis San-Carlos befuhr und von hier aus auf den Cassiquiare überging, auf dem Orinoco herausgekommen, nachdem er auf diese Weise das venezuelo-brasilianische Gebiet durchschifft hatte.
Entschieden verdiente der Cassiquiare die Untersuchung eines Sachverständigen, obgleich seine Breite hier kaum vierzig Meter übersteigt. Die Piroguen setzen jedoch ihren Weg stromaufwärts fort.
In diesem Theile des Stromes ist das rechte Ufer sehr uneben. Ohne von der Duidokette zu sprechen, die sich, von undurchdringlichen Wäldern bedeckt, am Horizonte hinzieht, bilden die Guaaco-Cerros eine natürliche Böschung, über die der Blick weit über die Ilanos zur Linken schweifen kann, die von dem gewundenen und abwechslungsreichen Cassiquiare durchfurcht werden.
Die Falcas kamen also bei recht mäßigem Winde vorwärts, so daß sie die Strömung bisweilen nur mit Mühe überwanden. Da machte Jean, kurz vor Mittag, auf eine niedrige, dichte Wolke aufmerksam, die sich über die Savanne hinzuziehen schien.
Parchal und Valdez betrachteten diese Wolke, deren schwere, dunkle Masse sich nach dem rechten Ufer zu heranwälzte.
Auf dem Vordertheil der »Gallinetta« stehend, blickte auch Jorres nach der nämlichen Richtung hinaus und sachte sich die Ursache der Erscheinung zu enträthseln.
»Das ist eine Staubwolke«, sagte Valdez.
Parchal theilte diese Anschauung.
»Wer kann den Staub aber aufwirbeln? fragte der Sergeant Martial.
– Vielleicht eine marschierende Truppe, antwortete Parchal.
– Dann müßte sie aber zahlreich sein, bemerkte Germain Paterne.
– Freilich, sehr zahlreich!« setzte Valdez hinzu.
Nur noch zweihundert Meter vom Ufer, zog die Wolke jetzt sehr schnell heran. Dann und wann zerriß sie ein wenig, und man sah dann durch solche Spalten scheinbar röthliche Massen sich fortbewegen.
»Sollte das eine Bande Quivas sein? rief Jacques Helloch.
– In diesem Falle, erwiderte Valdez, müßten wir die Piroguen aus Vorsicht nach dem linken Ufer hinüberführen.
– Aus Vorsicht, ja, stimmte Valdez zu, und ohne einen Augenblick zu zögern!«
Sofort wurde der betreffende Befehl ertheilt. Die Mannschaften zogen die Segel ein, da diese die Falcas auf dem Wege schräg über den Strom nur
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