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Der stolze Orinoco

Der stolze Orinoco

Titel: Der stolze Orinoco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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transportieren. Der Orinoco hat seine Tücken, ganz wie der Ocean, und man trotzt ihnen nicht ohne Gefahr.
    Die Schiffsleute wählt man gewöhnlich aus den am Ufer siedelnden Stämmen. Viele Eingeborne, die sich ausschließlich diesem Berufe widmen, zeigen sich ihrer Aufgabe mit ebenso vieler Gewandtheit wie Klugheit gewachsen. Als die Zuverlässigsten gelten die Banitas, die in der Hauptsache auf den von dem Guaviare, dem Orinoco und dem Atabapo durchflossenen Gebiete wohnen. Sind sie mit Passagieren oder mit Waaren den Strom hinausgefahren, so kehren sie bis Caïcara zurück, um neue Reisende oder neue Ladung zu erwarten.
    Immerhin kann man sich auf alle diese Leute nur bis zu gewisser Grenze verlassen, und es hätte die Sache gewiß erleichtert, wenn nur eine einzige Mannschaft anzuwerben war. Dieser Ansicht war der gelehrte Herr Miguel, und er hatte damit gewiß recht. Da er sich überdies lebhaft für den jungen Mann interessierte, konnte Jean eigentlich nur dabei gewinnen, wenn er ihn und seine beiden Freunde als Reisegesellschafter hatte.
    Von diesem Gedanken eingenommen, war er auch entschlossen, die Meinung des Sergeanten Martial darüber zu erfahren, und sobald er sie an dem kleinen Hafen von Caïcara, wo Jean und sein Onkel ein Fahrzeug zu miethen suchten, wahrnahm, ging er schnellen Schrittes auf sie zu.
    Der alte Haudegen runzelte die Stirn und warf dem Gelehrten einen nicht gerade aufmunternden Blick zu.
    »Mein Herr Sergeant, begann Herr Miguel in ganz correctem Französisch, das er sehr gut beherrschte, wir haben das Vergnügen gehabt, an Bord des »Simon Bolivar« zusammen zu reisen…
    – Und hier gestern Abend auszusteigen«, antwortete der Sergeant mit aneinandergestellten Fußabsätzen und steif wie ein Infanterist, wenn er präsentiert.
    Herr Miguel sachte diesen Worten noch den besten Sinn unterzulegen und fuhr also fort:
    »Meine beiden Freunde und ich haben – es war noch in Las Bonitas – aus einem Gespräche zwischen Ihrem Neffen…«
    Der Sergeant fing an die Lippen zusammenzuziehen, was immer ein schlechtes Zeichen war, und unterbrach Herrn Miguel mit der Frage:
    »Wie meinten Sie… aus einem Gespräche?
    – Zwischen Herrn Jean von Kermor und dem Gouverneur erst erfahren, daß es Ihre Absicht war, in Caïcara ans Land zu gehen…
    – Wir brauchen deshalb doch wohl niemand um Erlaubniß zu fragen?… erwiderte der Brummbär in barschem Tone.
    – Natürlich niemand, sagte Herr Miguel, der sich auch durch diesen unfreundlichen Empfang von seinem Vorschlage nicht abbringen lassen wollte. Da wir nun aber gehört haben, welches das Ziel Ihrer Reise ist…
    – Eins! grollte der Sergeant Martial zwischen den Zähnen, als wollte er zählen, wie viele Male er auf Fragen des höflichen Geographen zu antworten haben werde.
    – Und unter welchen Verhältnissen Ihr Neffe den Oberst von Kermor seinen Vater, aufzusuchen gedenkt…
    – Zwei!… stieß der Sergeant Martial hervor.
    – Da wir ferner wissen, daß Sie auf dem Orinoco bis San-Fernando hinausfahren wollen…
    – Drei!… knurrte der Sergeant Martial.
    – So möchte ich, da meine Collegen und ich uns ebendahin begeben wollen, Sie fragen, ob es Ihnen nicht gelegen, ob es nicht vortheilhafter, ja sogar sicherer wäre, von Caïcara bis San-Fernando eine Barke gemeinschaftlich zu benützen…«
    Wenn je ein Anerbieten annehmbar war, so war es das, das Herr Miguel eben machte, und es ließ sich kaum ein Grund denken, es abzulehnen. Durch die Wahl einer hinreichend großen Pirogue mußten die fünf Reisenden ihre Fahrt gewiß unter weit günstigeren Bedingungen ausführen können.
    Der Sergeant konnte sich dem Vorschlage vernünftiger Weise also gewiß nicht widersetzen, dennoch antwortete er, ohne seinen Neffen vorher zu befragen, wie einer, dessen Entschluß schon feststeht, trockenen Tones:
    »Sehr verbunden, mein Herr, sehr verbunden! Ihr Vorschlag mag ja in mancher Beziehung vortheilhaft sein, doch annehmbar, nein… nein… wenigstens was uns Beide betrifft!
    – Was könnte er Unannehmbares an sich haben? fragte Herr Miguel, erstaunt über eine solche unbegreifliche Ablehnung.
    – Er hat… nun mit einem Worte, er paßt uns eben nicht! erklärte der Sergeant Martial.
    – Ohne Zweifel haben Sie ihre besondern Gründe, so zu antworten, Herr Sergeant, antwortete Herr Miguel. Da mir aber nur daran lag, uns gegenseitige Unterstützung zu gewähren, hätte mein Vorschlag wohl eine minder verletzende Antwort verdient.
    – Bedaure ich

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