Der stolze Orinoco
der junge Mann, ihn an der Hand zurückhaltend.
– Ich mag nicht, daß jemand mit Dir spricht… mag nicht, daß Einer Dich umschleicht…
– Und ich, ich will nicht, daß Du uns durch Deine Derbheit oder Deine Thorheiten Unannehmlichkeiten zuziehst! entgegnete Jean entschiedenen Tones. Wenn der Gouverneur des Caura eine Frage an mich richtet, werd’ ich mich nicht weigern, ihm Rede zu stehen, ja es liegt mir sogar daran, von ihm einige Auskunft zu erbitten.«
Der Sergeant knurrte, passte mächtig aus seiner Pfeife und trat näher an seinen Neffen heran, den der Gouverneur jetzt in spanischer Sprache, die Jean hinlänglich beherrschte, anredete.
»Sie sind ein junger Franzose?…
– Ja, Herr Gouverneur, antwortete Jean, höflich den Hut ziehend.
– Und Ihr Reisegefährte?
– Mein Onkel… ebenfalls ein Franzose, ein verabschiedeter früherer Sergeant.«
Mit der spanischen Sprache sehr wenig vertraut, hatte Martial von diesen Worten doch soviel verstanden, daß von ihm die Rede war. So richtete er sich denn stramm in ganzer Länge auf in der Ueberzeugung, daß ein Sergeant vom 72. Linienregiment doch ebensoviel werth sei, wie ein venezuolanischer General, wenn dieser auch nebenbei Provinzgouverneur wäre.
»Ich glaube nicht indiscret zu sein, mein junger Freund, fuhr der letztere fort, wenn ich frage, ob Ihre Reise noch über Caïcara hinausgehen wird?
– Ja… noch darüber hinaus, Herr Gouverneur, bestätigte Jean.
– Auf dem Orinoco oder auf dem Apure?
– Auf dem Orinoco.
– Bis nach San-Fernando de Atabapo?
– Bis zu diesem Orte, Herr Gouverneur, und vielleicht auch noch da drüber hinaus, wenn die Auskünfte, die wir dort zu erlangen hoffen, das nöthig machen.«
Der Gouverneur fühlte sich, ganz wie Herr Miguel, sofort eingenommen für den jungen Mann, der so viele Entschiedenheit zeigte und so klar und bestimmt antwortete, und man erkannte leicht, daß das die aufrichtige Antheilnahme der beiden Herren erweckte.
Grade diese sichtliche Theilnahme wollte der Sergeant Martial aber mit allen Kräften abwehren. Es mißfiel ihm, daß jemand mit seinem Neffen in so nahe Berührung trat, er wollte es nicht leiden, daß Andre, ganz fremde oder nicht, von seiner natürlichen Liebenswürdigkeit gefesselt würden. Am meisten wurmte es ihn, daß Herr Miguel die Gefühle, die er für den jungen Mann hegte, gar nicht zu verbergen suchte. Der Gouverneur des Caura kam weit weniger in Frage, denn der blieb in Las Bonitas zurück; Herr Miguel dagegen mehr als jeder andere Passagier des »Simon Bolivar«, denn er sollte ja bis San-Fernando mit hinausfahren, und hatte er dann mit Jean erst Bekanntschaft angeknüpft mußte es schwierig werden, die Beziehungen wieder zu lösen, die sich zwischen den Theilnehmern einer längeren Reise fast nothwendig entwickeln.
Warum, möchte man fragen, wollte der Sergeant Martial das verhindern?
Welchen Nachtheil hätte es haben können, daß angesehene Personen, wenn sie sich bei einer niemals ganz gefahrlosen Fahrt auf dem Orinoco hilfswillig zeigten, mit dem Neffen und dem Onkel auf vertrauteren Fuß kamen? Das ist doch einmal der gewöhnliche Verlauf der Dinge.
Ja, und wenn man den Sergeanten Martial gefragt hätte, warum er sich dem widersetzen wollte, würde er doch nur abweisenden Tones geantwortet haben: »Weil mir das nicht behagt!« und man hätte sich schon mit dieser Erklärung zufrieden geben müssen, da ihm doch keine andere zu entlocken gewesen wäre.
Sie spähten nach einem passenden Fahrzeug.(S. 64)
Eben jetzt konnte er Seine Excellenz nicht einmal sich »seiner Wege scheeren« heißen und mußte den jungen Mann ganz nach Belieben an dem eingeleiteten Gespräche theilnehmen lassen.
Dem Gouverneur schien viel daran gelegen, Jean über den Zweck seiner Reise auszufragen.
»Sie gehen also nach San-Fernando? sagte er.
– Ja, Herr Gouverneur.
– Und aus welcher Absicht, mein junger Freund?
– Ich hoffe dort einige Auskunft zu erhalten.
- Auskunft?… Auskunft?… Ueber was oder über wen?
– Ueber den Oberst von Kermor.
– Oberst von Kermor? wiederholte der Gouverneur. Diesen Namen höre ich hier zum allerersten Male, und es ist mir nicht zu Ohren gekommen, daß in San-Fernando seit der Durchreise des Herrn Chaffanjon je von einem Franzosen die Rede gewesen wäre.
– Er befand sich dort schon einige Jahre früher, bemerkte der junge Mann.
– Worauf stützt sich Ihre Behauptung? fragte der Gouverneur.
– Auf den letzten Brief
Weitere Kostenlose Bücher