Der stolze Orinoco
sehr, ja, recht sehr, werther Herr, antwortete der Sergeant Martial, der sich auf ein ihm nicht besonders zusagendes Gebiet gedrängt fühlte, ich konnte Ihnen aber nur mit einer Weigerung antworten…
– Einer Weigerung, die sich doch hätte in gewissen Formen halten können; an der Ihrigen vermißte ich die berühmte französische Höflichkeit!
– O, mein Herr, erwiderte der alte Soldat, der jetzt schon etwas warm wurde, es handelt sich hier aber nicht um Höflichkeiten! Sie haben uns einen Vorschlag gemacht, und ich hatte meine Gründe, diesen Vorschlag nicht anzunehmen, das hab’ ich Ihnen einfach gesagt, wie es mir auf die Zunge gekommen ist. Wenn Sie darüber Klage führen wollen…«
Die stolze Haltung, welche Herr Miguel annahm, war nicht gerade geeignet, den Sergeanten Martial, der die Tugend der Geduld nicht kannte, zu beruhigen. Das veranlaßte Jean von Kermor, selbst das Wort zu ergreifen.
»Ich bitte Sie, meinen Onkel zu entschuldigen, verehrter Herr, sagte er, er hat Sie gewiß nicht beleidigen wollen. Was Sie uns da angeboten haben, zeigt von einer besondern Zuvorkommenheit Ihrerseits, und bei jeder andern Gelegenheit würden wir nicht gezaudert haben, die dargebotene Hand zu ergreifen. Wir wünschen jetzt aber gerade ein Boot für uns allein zu haben, über das uns unter allen Umständen freie Verfügung zusteht, denn es ist möglich, daß die Auskünfte, die wir unterwegs erhalten, uns zwingen, von dem jetzt ins Auge gefaßten Reisewege abzuweichen, in einem oder dem andern Orte Halt zu machen… kurz, wir müssen nothwendig für unsre Bewegungen volle Freiheit haben.
Die beiden Fahrzeuge glitten der Mitte des Stromes zu. (S. 71.)
– Sehr schön, Herr von Kermor, antwortete Herr Miguel, uns liegt es gewiß fern, Sie in irgend einer Weise belästigen zu wollen, und trotz der… der etwas trocknen Antwort Ihres Onkels…
– Der eines alten Soldaten, mein Herr! warf der Sergeant Martial ein.
– Zugegeben! Immerhin, wenn meine Freunde und ich Ihnen während der Fahrt irgendwie von Nutzen sein können…
– Ich danke Ihnen in meines Onkels und in meinem Namen, mein Herr, erklärte der junge Mann, und seien Sie überzeugt, daß wir im Nothfalle nicht zögern werden, Ihre freundliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.
– Hören Sie es, Herr Sergeant? fügte Herr Miguel in halb scherzendem, halb ernsthaftem Tone hinzu.
– Ja, ja, ich höre es, Herr Geograph!« gab der Sergeant Martial mürrisch zurück, denn er wollte sich trotz der Anerbietungen des Herrn Miguel – übrigens eines der besten und hilfswilligsten Menschen – nicht entwaffnen lassen.
Herr Miguel bot hierauf Jean von Kermor die Hand, die dieser freundschaftlich drückte, was schon genügte, aus den Augen seines Onkels zwei von Donnergrollen begleitete Blitze hervorschießen zu lassen.
Als der Sergeant Martial und der junge Mann wieder allein waren, begann der erstere:
»Du hast ja gesehen, wie ich ihn empfangen habe, den wunderlichen Kauz da!
– Ja, Du hast ihn schlecht empfangen und daran unrecht gethan.
– Ich hätte unrecht gehabt?
– Unbedingt!
– Es hätte also nur noch gefehlt, das Anerbieten, eine Pirogue mit den drei Bolivaren zu theilen, anzunehmen?
– Nein, daß Du das abgelehnt hast, war ganz in der Ordnung, es hätte nur etwas höflicher geschehen können, lieber Onkel!
– Einem Aufdringling gegenüber brauche ich nicht höflich zu sein.
– Herr Miguel ist nicht aufdringlich gewesen, er hat sich sehr dienstwillig gezeigt, und sein Vorschlag hätte verdient, angenommen zu werden…. wenn das in unserm Falle möglich wäre. Wenn Du ihn ablehntest, mußtest Du gleichzeitig Deinen Dank dafür aussprechen. Wer weiß, ob seine Freunde und er nicht berufen sind, uns unsre Aufgabe zu erleichtern, schon in Folge der Bekanntschaften, die sie in San-Fernando jedenfalls haben und die uns von Nutzen sein könnten, Du Deinen Obersten, mein lieber Martial, und ich meinen Vater wiederzufinden.
– Also ich… ich habe unrecht gehabt?
– Ja, lieber Onkel.
– Ich danke, lieber Neffe!«
Von den Piroguen des Orinoco sind die kleinsten aus einem Baumstamme, gewöhnlich dem Stamme eines Cachicamo ausgehöhlt. Die größeren, aus abgepaßten Planken bestehend, sind an den Seiten abgerundet und vorn etwas zugespitzt.
Die recht solid hergestellten Fahrzeuge widerstehen sehr gut der Beschädigung beim Schleifen über Untiefen und den Erschütterungen, denen sie bei der Beförderung über Land unumgänglich
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