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Der stolze Orinoco

Der stolze Orinoco

Titel: Der stolze Orinoco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Richtig, lieber Neffe, mir ist’s auch so, als müßte jeden Augenblick der Dampfer von Saint-Nazaire auftauchen – der Pyroscaph, wie man da unten mit einem Worte sagt, das mir aus dem Griechischen, das ich nie begreifen konnte, zu stammen scheint.
    – Und wenn der Pyroscaph auch käme, lieber Onkel, antwortete der junge Mann lachend, würden wir uns seiner doch nicht bedienen, sondern ihn vorüberrauschen lassen. Nantes ist jetzt da, wo mein Vater ist… nicht wahr?
    – Ja, da wo mein wackrer Oberst weilt; und wenn wir ihn gefunden haben, wenn er erst weiß, daß er auf der Welt nicht allein steht, dann… dann fährt er mit uns den Strom wieder hinunter, erst in einer Pirogue, dann mit dem »Simon Bolivar«… und schließlich besteigen wir den Dampfer von Saint-Nazaire, aber nur, um beglückt nach Frankreich heimzukehren…
    – Möge Gott Dich hören!« murmelte Jean.
    Und bei diesen Worten irrte sein Blick stromaufwärts hinaus nach den Cerros, deren entfernte Silhouette sich im Südosten zeigte.
    Dann kam er wieder auf die übrigens ganz richtige Bemerkung zurück, die der Sergeant Martial über die Aehnlichkeit der Loire und des Orinoco in diesem Theile seines Laufes gemacht hatte.
    »Ja, meinte er, was man aber zu gewissen Zeiten auf den Sandstrecken hier beobachten kann, das würde man auf der obern wie auf der untern Loire doch niemals sehen.
    – Und was wäre das?
    – Das sind Schildkröten, die jedes Jahr hierherkommen, ihre Eier abzulegen und sie in den Sand zu vergraben.
    – Ah so… hier giebt es also Schildkröten…
    – Zu Tausenden! Der Rio, den Du dort am rechten Ufer siehst, hieß auch Rio Tortuga, ehe er den Namen Rio Chaffanjon erhielt.
    – Und wenn er Rio Tortuga hieß, hatte er diesen Namen gewiß verdient. Bisher indeß sah ich keine…
    – Nur Geduld, Onkel Martial; obgleich die Legezeit schon lange vorüber ist, wirst Du Schildkröten noch in unglaublicher Menge zu sehen bekommen.
    – Wenn sie aber nicht mehr legen, werden wir auch ihre Eier nicht kosten können, die, wie mir gesagt wurde, herrliche Leckerbissen sein sollen.
    – Ganz vorzügliche! Das Fleisch des Thieres ist aber ebenso wohlschmeckend. Ich hoffe doch, daß unser Schiffer Valdez einige für unsre Suppenschüssel fangen wird.
    – O, eine Schildkrötensuppe! rief der Sergeant Martial, mit der Zunge schnalzend.
    – Ja, und hier wird sie nicht wie in Frankreich mit Theilen vom Kalbskopf bereitet.
    – Es wäre auch, erwiderte der Sergeant Martial, eine so weite Reise nicht werth, wenn man hier nur ein einfaches Kalbsragout zu essen bekäme!«
    Der junge Mann täuschte sich nicht in der Annahme, daß die Piroguen nach den Gegenden kommen würden, wo jene Schildträger die Indianer der Nachbargebiete herbeilocken. Wenn diese Eingebornen jetzt hier nur zur Fangzeit erscheinen, so hausten sie dagegen früher in großer Menge auf dem Uferlande des Stromes. Die Taparitos, die Panares, die Yaruros, die Guamos und die Mapoyos bekriegten einander lange Zeit mit größter Bitterkeit, um sich den Besitz dieser Ländereien zu sichern. Vor den Genannten wohnten hier auch früher jedenfalls die jetzt in alle Winde verstreuten Otomacos.
     

    »Zur Abwechslung im gewohnten Speisezettel!« rief Herr Miguel. (S. 76.)
     
    Nach den Berichten Humboldt’s waren diese Indianer, die von steinernen Vorfahren abzustammen behaupteten, unermüdliche Ballspieler und als solche noch gewandter als die nach Venezuela eingewanderten Basken europäischer Abkunft. Man zählte sie ferner den Geophagen zu, das heißt den Völkerschaften, die zur Zeit, wo es an Fischen fehlte, halbfeuchte Kugeln aus Lehm oder reinem Thon verzehrten. Das ist übrigens eine Gewohnheit, die auch heute noch da und dort besteht. Diese Unsitte – von etwas Anderem kann man dabei doch kaum reden – eignen sich die Leute schon in früher Kindheit an und können später unmöglich davon ablassen. Die Geophagen verschlingen Erde, wie die Chinesen Opium rauchen – beide können dem Verlangen danach nicht widerstehen. Chaffanjon hat mehrere solcher Elenden getroffen, die sogar den Lehm von ihren Strohhütten abnagten.
    Am Nachmittage hatten die Falcas mit tausenderlei Schwierigkeiten zu kämpfen, die den Mannschaften viel Mühe bereiteten. Die Strömung war in diesem Theile des von hereinragenden Sandbänken eingeengten Bettes ungemein schnell.
    Bei einem mit schweren Wolken bedeckten Himmel und mit Elektricität geschwängerter Luft, hörte man von Süden her das Rollen

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