Der stolze Orinoco
des Donners, die Brise schwächte sich mehr und mehr ab, und nur dann und wann machte sich ein leichter Windhauch bemerkbar.
Unter diesen Umständen verlangte es die Klugheit, schützendes Unterkommen zu suchen, denn man weiß niemals, wie sich die Unwetter über dem Orinoco gestalten und ob sie nicht die ärgsten atmosphärischen Störungen mitbringen. Die Bootsleute beeilen sich deshalb gern, in eine tiefe Bucht einzulaufen, deren hohe Uferwände sie vor den Angriffen verheerender Windstöße schützt.
Leider zeigte dieser Theil des Stromes keinen derartigen Schlupfwinkel. Auf beiden Seiten dehnten sich die Ilanos bis über Sehweite hinaus aus, ungeheure ganz baumlose Prärien, über die der Sturm, ohne irgend ein Hinderniß zu treffen, hinwegfegen konnte.
Herr Miguel, der sich bei dem Schiffer Martos erkundigen wollte, was dieser zu thun gedenke, fragte ihn, ob er sich nicht genöthigt sehen werde, bis zum nächsten Tage mitten im Strome zu ankern.
»Das wäre gefährlich, antwortete Martos. Unser Anker würde hier keinen Halt finden; wir selbst würden auf den Sand getrieben, umgeworfen und in Stücke geschlagen werden…
– Was ist dann also zu beginnen?
– Wir wollen versuchen, das nächste, stromaufwärts gelegene Dorf zu erreichen; erscheint das unmöglich, so kehren wir nach der Insel Casimirito zurück, an der wir in letzter Nacht gelegen haben.
– An welches Dorf denken Sie?
– An Buena Vista am linken Ufer.«
Dieses Verhalten schien so angezeigt, daß Valdez, ohne sich mit Martos verabredet zu haben, schon die Richtung nach jenem Dorfe einschlug.
Augenblicklich hingen die Segel schlaff an den Masten herunter. Die Bootsleute zogen sie gänzlich ein, um dem erwarteten Wind jeden Angriffspunkt zu nehmen. Vielleicht brach dieser vor Ablauf von einer oder zwei Stunden noch nicht los. Die bleigrauen Wolken schienen am südlichen Horizont wie festgenagelt zu stehen.
»Schlechtes Wetter, sagte der Sergeant Martial, sich an den Schiffer Valdez wendend.
– Freilich, schlechtes Wetter, bestätigte dieser, doch suchen wir darüber Herr zu werden!«
Die beiden Piroguen schwammen etwa fünfzig Fuß, nicht mehr, entfernt von einander dahin. Die langen gabelförmigen Stangen wurden auf den sandigen Grund gestoßen, um die Fahrzeuge vorwärts zu bewegen. Es war eine harte Arbeit mit nur wenig Erfolg, da die Strömung überwunden werden mußte. Auf andre Weise konnte man aber gar nicht vorwärts kommen. Daneben erschien es von Wichtigkeit, immer nahe dem linken Stromufer zu bleiben, um sich nöthigenfalls mittelst Espilla fortlootsen zu können.
Eine gute Stunde dauerte diese Arbeit schon an. Wie oft drängte sich da die Besorgniß auf, daß die Falcas, wenn sie nicht vor Anker gingen, stromabwärts gerissen und vielleicht auf Klippen geschleudert würden. Dank der Geschicklichkeit der Schiffer und der kräftigen Anstrengungen der Mannschaften, denen die Herren Miguel, Felipe und Varinas auf der einen und der Sergeant Martial nebst Jean auf der andern Seite zu helfen sich bemühten, gelang es aber den beiden Fahrzeugen, das linke Ufer zu erreichen, ohne bei der schrägen Fahrt über den Strom besonders an Weg verloren zu haben.
Jetzt konnte und mußte die Espilla zu Hilfe genommen werden, und bei einiger Kraftanstrengung konnte man hoffen, nicht stromabwärts verschlagen zu werden.
Auf den Vorschlag des Schiffers Valdez verband man die Piroguen eine hinter der andern, und die Mannschaften von beiden unterstützten sich nun, sie längs des Ufers hinaufzuschleppen. Wenn die Gestaltung des Ufers es erlaubte, gingen sie gleich ans Land und zogen die Fahrzeuge weiter, die die Pagaie des Steuermanns in gewünschter Richtung hielt. Konnte man zu Fuß auf dem Uferlande nicht weiter so wurde die Espilla etwa vierzig Meter stromaufwärts geschafft und an einem Felsstück oder Baumstumpf befestigt. Darauf kehrten die Leute an Bord der »Maripare« zurück und zogen vereint die Fahrzeuge ein Stück stromauf.
Auf diese Weise kam die Reisegesellschaft an den Inseln Seiba, Cururuporo und Estiliero, die links liegen blieben, und bald nachher an der dem rechten Ufer naheliegenden Insel Posso Redondo vorüber.
Inzwischen stieg das Gewitter bis zum Zenith empor. Ueber den ganzen Horizont zuckten häufig die mächtigsten Blitze. Das Krachen und Rollen des Donners setzte fast keine Secunde aus. Zum Glück befanden sich aber die beiden Piroguen gegen acht Uhr abends, als der mit Hagelschauern gemischte Sturm am
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