Der stolze Orinoco
Schultern geworfen; rechts von ihm stand seine Frau im langen Hemd, mit Glasperlenschmuck an Armen und Beinen, links das Kind mit einem Lendenschurz und Gesichtszügen wie ein lustiger kleiner Affe.
»Wissen Sie etwa auch, was aus jenen beiden Franzosen geworden ist?… fragte Herr Miguel den Indianer.
– Ich weiß nur, daß sie über den Strom gesetzt sind, um nach la Urbana zu gelangen, wo sie ihre Pirogue zurückgelassen haben, während sie selbst nach der Seite der aufgehenden Sonne zu durch die Ilanos weiter gegangen sind.
– Waren sie allein?
– Nein, sie hatten einen Führer und drei Mapoyos-Indianer mit sich.
– Und seit ihrer Weiterreise haben Sie nichts mehr von ihnen gehört?
– Hierher sind keine Nachrichten über sie gekommen.«
Was mochte nun aus den beiden Reisenden, den Herren Jacques Helloch und Germain Paterne, geworden sein? Lag nicht die Befürchtung nahe, daß sie auf ihrem Wege im Osten des Orinoco umgekommen, vielleicht von den Indianern verrathen worden seien? In jenen wenig bekannten Gebieten waren sie Unfällen gewiß leicht genug ausgesetzt. Jean wußte nur zu gut, welche Gefahren Chaffanjon von Seiten seiner Begleitmannschaft gedroht hatten, als er zur Erforschung des Caura auszog, und daß er sein Leben nur dadurch zu retten vermochte, daß er den verrätherischen Führer durch eine Kugel niederstreckte. Den jungen Mann beunruhigte daher nicht wenig der Gedanke, daß auch seine Landsleute, wie so viele andre Forscher in diesem Theile Südamerikas, den Tod gefunden haben könnten.
Kurz nach Mitternacht beruhigte sich das Unwetter, und unter strömenden Regengüssen klärte sich der Himmel allmählich auf. Einzelne Sterne erglänzten scheinbar ganz feucht, als ob das himmlische Naß das ganze Firmament überschwemmt hätte. Das ganze Meteor nahm dann ein plötzliches Ende – eine Erscheinung, die man in diesen Gegenden nach Entladungen elektrischer Unwetter sehr häufig beobachten kann.
»Das giebt morgen schönes Wetter,« prophezeite der Indianer, als seine Gäste sich zurückzogen.
Jetzt erschien es in der That am rathsamsten, wieder auf die Falcas zu gehen, da die Nacht ruhig und trocken zu bleiben versprach. Auf einer Estera im Deckhause schlief es sich immer noch besser, als auf dem blanken Erdboden der indianischen Strohhütte.
Am andern Tage waren die Passagiere schon frühzeitig bereit, Buena Vista zu verlassen. Die Sonne stieg nicht allein am ganz reinen Horizont auf, auch der Wind wehte in günstiger Richtung aus Nordost, so daß die Segel an Stelle der Palancas benutzt werden konnten.
Bis nach la Urbana war übrigens nur eine kurze Strecke zurückzulegen, und dort sollte vierundzwanzig Stunden Halt gemacht werden. Wenn die Fahrt ohne Unfall abging, konnten die Falcas noch am Nachmittage daselbst eintreffen.
Herr Miguel und seine Freunde, sowie der Sergeant Martial und Jean von Kermor nahmen von dem Indianer und seiner Familie Abschied. Dann drangen die »Gallinetta« und die »Maripare« mit vollen Segeln in die schmalen Wasserstraßen ein, die lange Sandbänke zwischen sich freiließen. Es hätte nur eines wenig stärkeren Wasserwuchses bedurft, um alle diese Bänke zu bedecken und dem Strome eine Breite von mehreren Kilometern zu geben.
An Bord ihrer Pirogue hatten sich der Sergeant Martial und der junge Mann vor dem Deckhause niedergesetzt, um die köstliche, frische Morgenluft zu genießen. Das Segel schützte sie vor den Strahlen der Sonne, die freilich schon wieder recht heiß herniederbrannte.
In Erinnerung an das Gespräch in der letzten Nacht, von dem er doch das und jenes verstanden hatte, begann der Sergeant Martial zu Jean:
»Sage mir einmal offen, ob Du an alle die Geschichten des Indianers glaubst?
– Welche denn?
– Nun, von den Tausenden und Abertausenden von Schildkröten, die hier in der Umgebung umherziehen sollen wie eine Feldarmee.
– Warum sollte das nicht wahr sein?
– Es kommt mir gar zu wunderbar vor. Eine Legion von Ratten – gut, das lass’ ich mir gefallen – die hat man gelegentlich gesehen, doch die Legionen jener fast ein Meter langen, großen Thiere…
– Hat man auch schon gesehen.
– Wer denn?
– Nun, in erster Linie jener Indianer selbst.
– Pah! Das dürften Indianerflausen sein!
– Dann sprechen davon auch die Reisenden, die an der andern Seite, von la Urbana aus, den Orinoco hinausgegangen sind…
– Ach was, in Büchern kann gar manches stehen! erwiderte der Sergeant Martial, der Reiseberichten
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