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Der stolze Orinoco

Der stolze Orinoco

Titel: Der stolze Orinoco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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gegenüber nun einmal ein ungläubiger Thomas war.
    – Du hast unrecht, lieber Onkel. Die Sache ist nicht nur sehr glaubhaft, sondern sogar gewiß richtig.
    – Na, meinetwegen! Wenn es aber wahr ist, glaub’ ich doch in keinem Falle, was der Herr Miguel behauptet, daß eine große Gefahr dabei sein kann, noch so vielen Schildkröten unterwegs zu begegnen.
    – O, wenn sie nun den Weg gänzlich versperren?…
    – Nun, zum Kuckuck, dann geht man eben über die Burschen hin…
    – Und setzt sich dabei der Gefahr aus, zerdrückt zu werden, wenn man bei einem unglücklichen Sturze mitten unter die Thiere geräth…
    – Das muß ich denn doch erst sehen, um es zu glauben.
    – Dazu kommen wir etwas zu spät hierher, antwortete Jean, doch vor vier Monaten, in der Legezeit, hättest Du Dich mit eignen Augen überzeugen können…
    – Nein, nein, Jean! Das sind alles Erfindungen von Reisenden, die damit nur Leute, welche es vorziehen, hübsch zu Hause zu bleiben, nasführen wollen…
    – Oho, es giebt sehr wahrheitsliebende Reisende, mein guter Martial!
    – Wenn es wirklich in der Gegend hier so viele Schildkröten giebt, wie da behauptet wird, ist es doch seltsam, daß wir keine davon zu Gesicht bekommen. Siehst Du denn etwa die Sandbänke da drüben unter ihren Rückenpanzern verschwinden?… So viel will ich indeß gar nicht verlangen, will die Schildkröten gar nicht nach Hunderttausenden zählen… nur so etwa fünfzig… nur ein Dutzend möcht’ ich sehen, vorzüglich, weil ihr Fleisch eine so ausgezeichnete Suppe giebt, und ich würde zu meinem Brode einmal mit Vergnügen eine solche Bouillon genießen…
    – Die Hälfte von Deiner Schüssel gäbst Du mir doch wohl ab, lieber Onkel?
    – Warum wäre das nöthig?… Mit fünf-bis sechstausend dieser Thiere ließe sich, denk’ ich, doch Deine und meine Schüssel füllen; doch nicht eine… nicht eine einzige! Wo mögen sie sich versteckt haben?… Jedenfalls im Hirnkasten unsres Indianers!«
    Schwerlich hätte einer die Ungläubigkeit weiter treiben können, doch wenn der Sergeant Martial keinen von den nomadisierenden Chelidoniern wahrnahm, so lag das nicht an seinem mangelhaften Sehen, denn er brachte das Fernrohr kaum von den Augen weg.
    Unter dem Antriebe des Windes fuhren inzwischen die beiden Piroguen in Gesellschaft weiter. So lange sie dem linken Ufer folgen konnten, war der Wind ihnen günstig und machte die Mithilfe der Palancas unnöthig. In dieser Weise verlief die Fahrt bis zur Mündung des Arauca, eines ziemlich bedeutenden Nebenflusses des Orinoco, dem er einen Theil der vielen, am Abhang der Anden entspringenden Gewässer zuführt, und der ein so schmales Stromgebiet hat, daß er selbst keinen andern Nebenfluß aufnimmt.
    Den ganzen Vormittag ging es stromaufwärts weiter; um elf Uhr mußte querüber gefahren werden, da la Urbana am rechten Ufer liegt.
    Nun begannen die Schwierigkeiten, die groß genug waren, wiederholt Verzögerungen herbeizuführen. Zwischen den aus seinem Sand bestehenden Bänken, die bei dem augenblicklichen Wasserstande schmäler waren, verlief die Fahrbahn öfters in scharfen Winkeln. Gleichzeitig bekamen die Falcas statt des Rückenwindes jetzt den Wind von vorn, so daß die Segel eingezogen und dafür die Palancas benutzt werden mußten.
    Da es nicht selten die Ueberwindung ziemlich starker Strömungen galt, mußten auch Alle, die mit an Bord waren, helfen, um die Fahrzeuge nicht stromabwärts wegtreiben zu lassen.
    Die Uhren zeigten die zweite Stunde nachmittags, als die »Gallinetta« und die »Maripare«, die hintereinander fuhren, eine mit dem Flecken gleichnamige Insel erreichten. Diese bot einen ganz andern Anblick, als die benachbarten Ilanos, denn sie war mit Wald bestanden und zeigte auch einige cultivierte Landstrecken. Das ist eine Seltenheit an diesem Theil des Stromes, wo die Indianer kaum eine andre Beschäftigung kennen, als die Jagd, den Fischfang und das Einsammeln der Schildkröteneier, wobei letzteres eine große Menge Arbeiter erfordert, wie der Sergeant Martial auch darüber denken mochte.
     

    »Ach was, in Büchern kann gar manches stehen!« erwiderte der Sergeant Martial. (S. 94.)
     
    Da sich die Mannschaften durch die unter brennender Mittagssonne gehabte Anstrengung sehr erschöpft fühlten, beschlossen die Führer, ihnen eine Stunde Rast zu gönnen, in der erst zu Mittag gegessen und dann ausgeruht werden sollte. La Urbana konnte deshalb doch noch gegen Abend erreicht werden. Sobald man die

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