Der stolze Orinoco
des wichtigen Nebenflusses des Stromes aufhalten. Man hatte es übrigens nicht zu bedauern, mit ihnen nicht in Verbindung getreten zu sein, denn gerade diese Indianer stehen – und zwar mit Recht – in gar schlechtem Rufe.
Gegen elf Uhr, als der Wind sich fast ganz gelegt hatte, ließen Valdez und die beiden andern Schiffer die Segel einholen. Nun galt es, mittelst der Palaucas weiter vorwärts zu kommen, wobei die eine geringere Strömung aufweisenden Wasserwirbel längs des Ufers als Fahrweg gewählt wurden.
An diesem übrigens recht unfreundlichen und regnerischen Tage brachten die Piroguen nur eine geringe Strecke hinter sich; um fünf Uhr nachmittags ankerten sie jedoch in der Mündung des Meta, hinter einem Vorsprung des rechten Ufers, wo sie in stillem Wasser lagen.
Der Himmel hatte sich später am Abend wieder aufgeklärt; es herrschte jetzt völlige Windstille. Durch eine freie Stelle in den Wolken am westlichen Horizont sandte die Sonne ihre letzten Strahlen auf die Fluthen des Meta, die sich in leuchtendem Rauschen mit denen des Orinoco zu mischen schienen.
Die Falcas legten sich Bord an Bord, die »Gallinetta« zwischen die beiden andern. Es sah aus, als bewohnten die drei Reisenden drei Zimmer ein und desselben Hauses und obendrein Zimmer, deren Thüren offen standen.
Es war schon erklärlich, daß Alle, nachdem sie bei schlechtem Wetter so viele Stunden in den Deckhäusern zugebracht hatten, jetzt das Verlangen empfanden, die schöne Abendluft zu athmen, auch zusammen zu speisen und miteinander wie Freunde an der nämlichen Tafel ein wenig zu plaudern. So bärbeißig der Sergeant Martial auch sein mochte, jetzt durfte er es doch nicht wagen, sich über dieses gesellige Beisammensein zu beklagen.
Zwischen den vier Franzosen und den drei Venezuolanern herrschte also das beste Einvernehmen. Jeder betheiligte sich an dem Gespräche, das von Jacques Helloch anfänglich auf ein Gebiet hinübergespielt wurde, wo die alten Gegner ins Handgemenge geriethen – auf das Gebiet der Geographie.
Er begann nämlich, boshaft genug, eine kleine Streitigkeit zu entfesseln:
»Da wären wir nun an der Mündung des Meta, Herr Miguel…
– Ganz recht, Herr Helloch.
– Das ist doch einer der Nebenflüsse des Orinoco?
– Ja, und zwar einer der bedeutendsten, da er ihm viertausend Cubikmeter Wasser in der Secunde zuführt.
– Kommt er nicht von den obern Cordilleren der columbischen Republik?
– Wie Sie sagen, antwortete jetzt Herr Felipe, der sehr wohl durchschaute, worauf diese Fragen hinausliefen.
– Nimmt er nicht auch eine große Anzahl Nebenflüsse in sich auf?
– Gewiß, sehr viele, bestätigte Herr Miguel. Die wichtigsten darunter sind die Upia und die Humadea, an deren Vereinigung er erst seinen Namen annimmt, ferner der Casanare, der den seinigen auf eine ungeheure Fläche von Ilanos übertragen hat.
– Mein lieber Jean, sagte da Jacques Helloch, wenn es mir gestattet ist, Sie so zu nennen…«
Der junge Mann erröthete leicht, und der Sergeant Martial sprang auf, als würde er von einer Feder emporgeschnellt.
»Was fehlt Ihnen denn, Herr Sergeant? fragte Herr Miguel.
– O, nichts, nichts,« antwortete der alte Soldat sich wieder niedersetzend
Jaques Helloch fuhr also in seiner Rede fort.
»Mein lieber Jean, ich glaube, wir werden nie wieder eine so passende Gelegenheit finden, über den Meta zu sprechen, da dieser jetzt vor unsern Augen dahinströmt…
– Und Du kannst auch hinzusetzen, fiel Germain Paterne ein, daß wir nie wieder bessre Lehrmeister haben werden, uns über ihn zu unterrichten.
– Sie thun uns viel Ehre an, meine Herren, erklärte Herr Varinas und doch wissen wir über den Meta nicht so viel, wie Sie anzunehmen scheinen. Ja, wenn es sich um den Guaviare handelte…
– Oder um den Atabapo! fiel Herr Felipe ein.
– Dahin werden wir auch noch kommen, meine Herren, fuhr Jacques Helloch unbeirrt fort. Da ich aber voraussetze, daß Herr Miguel in der Hydrographie des Meta sehr bewandert ist, gestatte ich mir an ihn die Frage, ob dieser Nebenfluß des Orinoco nicht manchmal eine sehr große Breite annimmt…
– Ja freilich… er erreicht stellenweise die Breite von zweitausend Metern, antwortete Herr Miguel.
– Und seine Tiefe?
– Jetzt, wo die Fahrstraße mit Baken bezeichnet ist, können Fahrzeuge mit sechs Fuß Tiefgang in der Regenzeit bis zur Einmündung der Upia, und in der trocknen Jahreszeit noch den dritten Theil dieser Strecke hinausgelangen.
– Das
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