Der stolze Orinoco
Zweitens, und das konnte noch ernstere Folgen und Gründe haben, die nur ihm bekannt waren, hatte ihnen das Mißgeschick auch noch die beiden Franzosen in den Weg geführt. Wie hätte er da alle sich entwickelnden näheren Beziehungen zwischen Landsleuten verhindern, ihnen das lebhafte Interesse für die von Jean verfolgte Absicht nehmen und ihre Dienste ablehnen sollen? Obendrein waren es ja Bretonen wie sie selbst. Wahrlich, der Zufall ist merkwürdig indiscret und mischt sich oft in Dinge ein, die ihn gar nichts angehen.
Da ließ sich von Osten her ein leichtes rhythmisches Geräusch vernehmen, das allmählich deutlich hörbar wurde.
Der in Gedanken versunkene Sergeant Martial bemerkte anfänglich gar nichts, ebensowenig sah er viel kleine Boote, die in der Strömung des Meta am rechten Ufer dahinglitten. Von Pagaien angetrieben, konnten sie sich auch stromaufwärts den Falcas nähern.
Von etwa zwanzig Quivas bemannt, waren die Curiares nur noch zweihundert Meter von den Piroguen entfernt, und wenn deren Passagiere im Schlafe überfallen wurden, konnten sie niedergemacht werden, ohne überhaupt Zeit zur Vertheidigung zu finden, da der Sergeant Martial in seiner Zerstreutheit nichts hörte, nichts sah.
Plötzlich, als die Falcas und die Curiares nur noch durch einen Zwischenraum von höchstens sechzig Fuß von einander getrennt waren, krachte ein Schuß.
Gleich darauf vernahm man einen Aufschrei vom Bord des nächsten Bootes.
Jacques Helloch war es gewesen, der Feuer gegeben hatte, und sofort blitzte auch ein Schuß aus dem Gewehre Germain Paterne’s.
Die beiden jungen Männer waren – es war gegen fünf Uhr und der Tag begann zu grauen – wieder erwacht, als das Geräusch von Pagaien an ihr Ohr schlug. Nach dem Hintertheil der »Moriche« schlüpfend, erkannten sie den ihnen drohenden Angriff und hatten ihre Gewehre auf die Curiares abgefeuert.
Auf den Knall der Schüsse hin waren die Passagiere und die Mannschaften sofort aufgesprungen.
Die Herren Miguel, Felipe und Varinas stürzten mit dem Gewehre in der Hand aus dem Deckhause der »Maripare«.
Jean tauchte zur Seite des Sergeanten Martial auf, der jetzt ebenfalls auf die Boote schoß und verzweifelt rief:
»Ueber das Unglück… das Unglück… mich überraschen zu lassen!«
Die Quivas blieben zunächst die Antwort nicht schuldig, und gegen zwanzig Pfeile schwirrten über die Piroguen hin. Einige bohrten sich in das Dach der Deckhäuser ein, Personen wurden aber nicht davon getroffen.
Herr Miguel und die Uebrigen gaben eine zweite Salve ab, und die ihr Ziel besser als die Pfeile erreichenden Kugeln richteten unter den Quivas nicht geringes Unheil an.
»Gehen Sie ins Haus zurück, Jean, zurück ins Deckhaus! rief da Jacques Helloch, der es für zwecklos fand, daß der junge Mann sich diesem Angriffe aussetzte.
Da flog eine weitere Anzahl Pfeile heran, wovon einer den Sergeanten Martial an der Schulter verletzte.
»Gut gemacht!… Habt Eure Sache gut gemacht, rief er… ein Soldat… und während seiner Wache… es geschieht mir ganz recht!«
Jetzt krachte eine dritte Salve aus Gewehren und Revolvern gegen die Curiares, die den Piroguen gegenüber vorbeiglitten.
Den Quivas, denen es nicht gelungen war, die Passagiere und die Mannschaften zu überrumpeln, blieb nichts anders übrig, als eilig zu entfliehen. Mehrere von ihnen waren tödlich getroffen, und andre hatten wenigstens schwere Verwundungen erhalten.
Der Ueberfall war fehlgeschlagen und die Curiares verschwanden flußabwärts auf dem Orinoco.
Elftes Capitel.
Rast im Dorfe Atures.
Am ersten September um sechs Uhr morgens verließen die Falcas diese gefährlichen Gegenden. Passagiere und Mannschaft waren einem Gemetzel entgangen, wie bei einem solchen schon so viele andre Reisende jenen blutdürstigen Stämmen zum Opfer gefallen waren.
Herr Miguel meinte, nachdem der Congreß einmal beschlossen habe, dem schrecklichen Unwesen der Quivas zu steuern, sei es auch hohe Zeit, mit ernsten Maßregeln dagegen vorzugehen.
»Es geschieht mir ganz recht,« hatte der Sergeant Martial gerufen, als er den Pfeil, der ihm in der Schulter saß, herauszog.
Weit mehr als die Wunde schmerzten ihn die Vorwürfe, die er sich machte, während seiner Wache mehr an die Vergangenheit als, was weit nothwendiger gewesen wäre, an die Gegenwart gedacht zu haben.
Zum Glück hatte seine Nachlässigkeit niemand das Leben gekostet, nur er, der Soldat, der sich hatte überraschen lassen, trug bei dem Scharmützel
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