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Der stolze Orinoco

Der stolze Orinoco

Titel: Der stolze Orinoco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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eine Wunde davon, doch auch diese – so hofften Alle – würde ja keine tödliche sein.
     

    Herr Miguel und die Uebrigen gaben eine zweite Salve ab. (S. 144.)
     
    Sobald die Boote der Quivas außer Sehweite waren, erhielt der Sergeant Martial, der nun auf seinem Nachtlager im Deckhause ausgestreckt lag, von Jean die erste Hilfe. Es genügt aber nicht, der Neffe seines Onkels zu sein und sich die möglichste Mühe zu geben, um in solchem Falle wirksam eingreifen zu können. Dazu gehören auch einige medicinische Kenntnisse, und die besaß der junge Mann leider nicht.
    Es traf sich daher recht glücklich, daß Germain Paterne bei seinen naturwissenschaftlichen Studien sich auch etwas mit Heilkunde beschäftigt hatte, und daß sich auf der »Moriche« eine Reiseapotheke vorfand. Germain Paterne beeilte sich also, dem Sergeanten Martial die so nöthige sachverständige Hilfe zu bringen, und es wird niemand wundern, daß Jacques Helloch es sich nicht nehmen ließ, ihn dabei eifrig zu unterstützen.
    In Folge dessen zählte die »Gallinetta« in den ersten Stunden der weiteren Fahrt zwei Passagiere mehr als vorher, und diese beobachteten mit aufrichtiger Rührung, wie liebevoll Jean von Kermor den alten Soldaten pflegte.
    Bei genauerer Untersuchung der Wunde erkannte Jean Paterne, daß die Pfeilspitze drei Centimeter tief, doch so schräg in die Schulter eingedrungen war, daß sie keinen Muskel und keinen größeren Nerven getroffen und nur die Haut und das Unterhautzellgewebe verletzt hatte. Allem Anscheine nach war also nicht zu fürchten, daß die Wunde ernsthaftere Folgen haben könne, vorausgesetzt freilich, daß der Pfeil nicht vergiftet war.
    Die Indianer des Orinoco benetzen die Spitze ihrer Pfeile aber sehr häufig mit dem unter dem Namen Curare bekannten Safte. Dieser besteht aus einer Mischung des Saftes der Mavacare, einer Liane aus der Familie der Strychnosarten, mit einigen Tropfen Schlangengift. Die schwärzliche, wie eingedickter Süßholzsaft glänzende Flüssigkeit ist bei den Eingebornen vielfach in Gebrauch. Humboldt hat sogar berichtet, daß die Otomaken (-Indianer) sich früher den Nagel des Zeigefingers damit einrieben und schon durch einen kräftigen Händedruck einen Andern vergiften konnten.
    War der Sergeant Martial nun von einem mit Curare vergifteten Pfeile getroffen worden, so mußte sich das bald genug zeigen. Der Verwundete wurde dann zuerst die Stimme und darauf jede Beweglichkeit der Glieder, des Gesichts und des Brustkastens verlieren – ein Zustand, bei dem das klare Bewußtsein bis zu dem nicht abwendbaren tödlichen Ausgange bestehen bliebe.
    Jetzt galt es also zu beobachten, ob sich solche Erscheinungen im Laufe der nächsten Stunden einstellten.
    Der Sergeant mußte Germain Paterne, der ihn verbunden hatte, wohl oder übel seinen Dank aussprechen, obwohl er innerlich grollte bei dem Gedanken, daß nun erst recht vertrautere Beziehungen zwischen den beiden Piroguen entstehen würden. Dann versank er in eine Art lethargischer Betäubung, die seine Reisegefährten nicht wenig beunruhigte.
    Da wendete sich der junge Mann an Germain Paterne.
    »Erscheint Ihnen sein Zustand bedenklich oder nicht? fragte er.
    – Darüber kann ich mir noch nicht schlüssig werden, antwortete dieser. Es handelt sich ja eigentlich nur um eine unbedeutende Wunde, die sich wohl ganz von selbst wieder geschlossen hätte, wenn… ja, wenn sie nicht etwa von einem vergifteten Pfeile herrührt. Zunächst heißt es: abwarten; wir werden uns bald in dieser Hinsicht klar sein.
    – Mein lieber Jean, mischte jetzt Jacques Helloch sich ein, hoffen Sie das Beste! Der Sergeant Martial wird wieder und wird auch bald genesen. Wäre hier Curare mit im Spiel, so glaub’ ich, würde der Fall schon ganz anders aussehen.
    – Das ist auch meine Meinung, bestätigte Germain Paterne. Sobald ich den Verband wechsle, werden wir wissen, woran wir sind, und Ihr Onkel… der Sergeant Martial, wollt’ ich sagen…
    – O, Gott schütze und erhalte ihn! flüsterte der junge Mann, dem eine Thräne aus den Augen perlte.
    – Ja, lieber Jean, sagte Jacques Helloch tröstend, Gott wird ihn erhalten! Die Pflege, die Sie und wir ihm angedeihen lassen wird den alten Soldaten heilen. Ich wiederhole Ihnen, hoffen Sie das Beste!«
    Damit drückte er Jean von Kermor die Hand, die in der seinen zitterte.
    Die Herren Miguel, Felipe und Varinas erhielten, da die drei Falcas bei frischer Nordostbrise in gleicher Frontlinie dahinsegelten, bald

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