Der stolze Orinoco
Reise von unbestimmter Dauer angeworben, kümmerten sich die wackern Leute sehr wenig darum, ob dabei der Orinoco bis zu seinen Quellen oder irgend einer seiner Nebenflüsse untersucht werden sollte, wenn sie nur gute Bezahlung erhielten.
Was dagegen Valdez betraf, so mußten mit diesem neue Bedingungen vereinbart werden. Der Indianer sollte ja den Sergeanten Martial und dessen Neffen zunächst nur nach San-Fernando befördern, denn diese hatten nur einen dahin lautenden Vertrag mit ihm abschließen können, da alles Weitere von den Nachrichten abhing, die sie in dem genannten Orte einziehen konnten. Valdez stammte, wie wir wissen, aus San-Fernando, wo er auch seinen Wohnsitz hatte, und nach Verabschiedung vom Sergeanten Martial hatte er darauf gerechnet, mit andern Passagieren, Reisenden oder Händlern, den Strom wieder hinabzufahren.
Der Sergeant Martial und Jean waren nun aber mit der Geschicklichkeit und dem Eifer des Valdez ganz zufrieden gewesen und hätten es herzlich bedauert, sich für den zweiten und gleichzeitig schwierigsten Theil der Fahrt von ihm trennen zu müssen. Sie machten ihm deshalb den Vorschlag, bei der Reise über den obern Orinoco auch ferner auf seiner Pirogue, der »Gallinetta«, zu bleiben.
Valdez ging gern darauf ein. Von den neun Leuten seiner Mannschaft konnte er freilich nur fünf behalten, während die andern sich für die Kautschukernte verdingen wollten, bei der sie recht hohen Lohn bezogen. Der Führer konnte sie aber glücklicherweise ersetzen, indem er drei Mariquitarer und einen Spanier anwarb, um die Besatzung der »Gallinetta« zu vervollständigen.
Die Mariquitarer, die dem gleichnamigen, in den Gebieten des Ostens hausenden Stamme angehörten, sind vortreffliche Ruderer. Sie kennen auch den Strom gründlich bis einige Hundert Kilometer aufwärts von San-Fernando.
Was den Spanier, namens Jorres betrifft, der erst vor vierzehn Tagen im Orte eingetroffen war, so sachte dieser gerade Gelegenheit, nach Santa-Juana zu kommen, wo der Pater Esperante, wie er sagte, es nicht abschlagen würde, ihn in den Dienst der Mission aufzunehmen. Da er nun gehört hatte, daß der Sohn des Oberst von Kermor und in welcher Absicht dieser sich auch nach Santa-Juana begeben wollte, bot sich Jorres sofort als Ruderer und Bootsgehilfe an. Valdez, dem ja noch ein Mann fehlte, ging auf das Anerbieten ein. Der Spanier schien recht geweckter Natur zu sein, obwohl seine harten Züge und ein fast unheimlicher Glanz seiner Augen nicht gerade zu Gunsten des Mannes sprachen. Uebrigens sprach er nur das Nöthigste und war jedenfalls nicht mittheilsamer Art.
Hier sei eingeschaltet, daß die Schiffer Valdez und Parchal den Strom schon bis zum Rio Mavaca, einem linksseitigen Nebenflusse, hinausgefahren waren, d. h. etwa bis dreihundertundfünfzig Kilometer unterhalb des Gebirgsstockes der Parima, von dem die ersten Wasseradern des großen Stromes entspringen.
Die Piroguen, die zur Vermittlung des Verkehrs auf dem obern Orinoco dienen, sind gewöhnlich von leichterer Bauart, als die auf dem Mittellaufe. Die »Gallinetta« und die »Moriche« schienen indeß bei ihren an und für sich beschränkten Abmessungen zu dieser Art Schifffahrt nicht ungeeignet. Sie waren auch sorgfältig untersucht, am Boden frisch kalfatert und überhaupt so gut wie möglich in Stand gesetzt worden. Im October hat die trockne Jahreszeit noch nicht den größten Tiefstand des Stromes herbeigeführt; er hatte für die beiden Falcas daher immer noch genug Wasser, und da die Reisenden sich auf diesen schon seit zwei Monaten sozusagen eingewohnt hatten, würde sie Keiner gern gegen andre vertauscht haben.
Zur Zeit, als Chaffanjon seine berühmt gewordene Reise ausführte, gab es von Stromkarten nur die im ganzen wenig zuverlässige von Codazzi, deren vielfach falsche Angaben der französische Reisende erst berichtigen mußte. So sollte denn jetzt die von Chaffanjon entworfene Karte bei dem zweiten Theile der Fahrt benutzt werden.
Der Wind, eine ziemlich steife Brise, war günstig. Die beiden Piroguen mit ihren festgestellten Segeln glitten, fast in gleicher Linie, schnell dahin. Die Mannschaft, die auf den Vordertheilen in Gruppen zusammenstand, brauchte ihre Arme nicht anzustrengen. Es war schönes Wetter mit leichten, von Westen heranziehenden Wolken am Himmel.
In San-Fernando waren die Falcas frisch verproviantiert worden, und zwar mit gedörrtem Fleisch, Gemüsen, Cassavebrod, Conserven, Tabak, Tafia und Aguardiente, ferner mit
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