Der Streik
aus und fragte: „Hast du eben gesagt, dass du die Schienen bei Rearden bestellt hast ?“
„Gestern Abend. Ich habe ihn von Cleveland aus angerufen.“
„Aber der Verwaltungsrat hat dem nicht zugestimmt. Ich habe dem nicht zugestimmt. Du hast mich nicht einmal gefragt.“
Sie beugte sich zu seinem Schreibtisch vor, nahm den Telefonhörer ab und reichte ihn ihm.
„Ruf Rearden an und storniere den Auftrag“, sagte sie.
James Taggart rückte in seinem Stuhl nach hinten. „Das habe ich nicht gesagt“, erwiderte er ärgerlich. „Das habe ich überhaupt nicht gesagt.“
„Dann bleibt es dabei?“
„Auch das habe ich nicht gesagt.“
Sie wandte sich um. „Eddie, lass einen Vertrag mit Rearden Steel ausarbeiten. Jim wird ihn unterzeichnen.“ Sie zog einen zerknüllten Notizzettel aus ihrer Manteltasche und warf ihn Eddie zu. „Das sind die Mengen und Konditionen.“
Taggart sagte: „Aber der Verwaltungsrat hat noch nicht …“
„Der Verwaltungsrat hat nichts damit zu tun. Er hat dir vor dreizehn Monaten den Kauf der Schienen genehmigt. Wo du sie kaufst, bleibt dir überlassen.“
„Ich halte es für unklug, eine solche Entscheidung zu treffen, ohne vorher den Verwaltungsrat zu befragen. Und ich sehe nicht ein, warum ich die Verantwortung dafür übernehmen sollte.“
„Ich übernehme sie.“
„Was ist mit den Kosten …“
„Rearden berechnet weniger als Orren Boyles Associated Steel.“
„Ja, und was ist mit Orren Boyle?“
„Ich habe ihm den Auftrag entzogen. Dazu wären wir schon vor sechs Monaten berechtigt gewesen.“
„Wann hast du das getan?“
„Gestern.“
„Aber er hat mich noch nicht angerufen, um die Stornierung zu bestätigen.“
„Das wird er auch nicht tun.“
Taggart saß mit gesenktem Blick da. Sie fragte sich, weshalb er sich gegen das Geschäft mit Rearden wehrte und ihr auf so sonderbare Weise auswich. Als ihr Vater noch Präsident von Taggart Transcontinental war, war Rearden Steel zehn Jahre lang der Hauptlieferant der Firma gewesen, seit jenem Tag, an dem Rearden seinen ersten Hochofen in Betrieb genommen hatte. Über zehn Jahre hinweg war ein Großteil ihrer Schienen von Rearden Steel gekommen. Es gab nur wenige Unternehmen im Land, die in der Lage waren, eine Bestellung ordnungsgemäß und pünktlich auszuführen. Rearden Steel war eines von ihnen. Wenn es nicht so abwegig wäre, dachte Dagny, dann könnte sie zu dem Schluss kommen, dass ihr Bruder gerade wegen der überragenden Effizienz Reardens nicht mit ihm zusammenarbeiten wollte; aber sie sträubte sich gegen eine derartige Schlussfolgerung, so etwas war einfach undenkbar.
„Es ist unfair“, sagte James Taggart.
„Was ist unfair?“
„Dass wir unsere Aufträge immer an Rearden vergeben. Ich finde, wir sollten auch anderen eine Chance geben. Rearden braucht uns nicht. Er ist ohnehin gut im Geschäft. Wir sollten kleineren Unternehmen helfen zu wachsen. Sonst fördern wir eine Monopolisierung.“
„Rede keinen Unsinn, Jim.“
„Aber warum müssen wir immer alles bei Rearden bestellen?“
„Weil wir immer alles bekommen, was wir bestellen.“
„Ich kann Henry Rearden nicht leiden.“
„Ich schon. Aber was spielt das für eine Rolle? Wir brauchen Schienen, und er ist der Einzige, der sie uns liefern kann.“
„Der menschliche Faktor ist auch sehr wichtig. Aber Menschlichkeit ist dir ja völlig fremd.“
„Es geht darum, eine Eisenbahntrasse vor dem Verfall zu bewahren, Jim.“
„Aber ja doch, und trotzdem ist dir Menschlichkeit fremd.“
„Da hast du recht.“
„Wenn wir eine derart große Menge Stahlschienen bei Rearden bestellen …“
„Wir bestellen keine Stahlschienen. Sie sind aus Rearden-Metall.“
Üblicherweise unterdrückte sie jede persönliche Reaktion, aber als sie den Gesichtsausdruck ihres Bruders sah, konnte sie nicht anders. Sie lachte laut auf.
Rearden-Metall war eine neue Legierung, die Rearden nach zehnjährigen Versuchen herstellte. Er hatte sie vor Kurzem auf den Markt gebracht, doch bisher waren noch keine Bestellungen eingegangen, er hatte noch keine Abnehmer gefunden.
Taggart war nicht darauf gefasst, dass Dagny unmittelbar nach ihrem Gelächter plötzlich einen kalten und barschen Ton anschlug. „Vergiss es, Jim. Ich weiß genau, was du jetzt sagen wirst. Niemand hat es bisher eingesetzt. Niemand befürwortet Rearden-Metall. Niemand interessiert sich dafür. Niemand will es. Trotzdem werden unsere Schienen aus Rearden-Metall
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