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Der Streik

Der Streik

Titel: Der Streik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayn Rand
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wollte er sich zehn neuen Herausforderungen auf einmal stellen. Er hatte das Gefühl, als wäre dies eine Welt, in der ihm nichts unmöglich war.
    „Hören Sie“, sagte er und griff nach dem Telefon, „lassen Sie mich bei meinem Werkleiter nachfragen und sehen, was wir in den nächsten Wochen gießen. Vielleicht finde ich einen Weg, einige Tonnen von ein paar Bestellungen abzuzweigen und …“
    Eilig wandte Mr. Ward seinen Blick von ihm ab, aber Rearden erhaschte einen flüchtigen Eindruck seines Gesichts. Es ist so viel für ihn, dachte Rearden, und so wenig für mich!
    Er nahm den Hörer ab, ließ ihn aber wieder fallen, weil die Tür seines Büros aufflog und Gwen Ives hereinstürmte.
    Es schien undenkbar, dass Miss Ives sich eine solche Verfehlung erlaubte, dass ihr ruhiges Gesicht sich so unnatürlich verzerren konnte, dass ihre Augen blind zu sein schienen oder dass ihre Schritte sich fast wie ein Stolpern anhörten. Sie sagte: „Entschuldigen Sie die Störung, Mr. Rearden“, aber er wusste, dass sie weder das Büro noch Mr. Ward sah, sondern nichts außer ihm. „Ich dachte, ich sollte Ihnen mitteilen, dass soeben das Chancengleichheitsgesetz verabschiedet wurde.“
    Der stoische Mr. Ward rief: „Oh Gott, nein! Oh nein!“, und starrte Rearden an.
    Rearden war aufgesprungen. Er stand unnatürlich gebeugt da, eine Schulter nach vorne gesenkt. Es war nur ein Augenblick. Dann blickte er um sich, als erlangte er seine Sehkraft wieder, sagte mit einem Blick, in den er Miss Ives und Mr. Ward einschloss: „Entschuldigen Sie bitte“, und setzte sich wieder.
    „Wir wurden nicht darüber informiert, dass das Gesetz dem Plenum zum Beschluss vorgelegt wurde, nicht wahr?“, fragte er mit kontrollierter, trockener Stimme.
    „Nein, Mr. Rearden. Wie es scheint, war es ein Überraschungsangriff. Sie haben dafür nur fünfundvierzig Minuten gebraucht.“
    „Haben Sie etwas von Mouch gehört?“
    „Nein, Mr. Rearden.“ Sie betonte das Nein. „Der Laufbursche vom fünften Stock kam gerannt, um uns zu berichten, dass er es gerade im Radio gehört hätte. Ich habe zur Bestätigung die Zeitungen angerufen. Ich habe versucht, Mr. Mouch in Washington zu erreichen. Sein Büro hebt nicht ab.“
    „Wann haben wir zuletzt von ihm gehört?“
    „Vor zehn Tagen, Mr. Rearden.“
    „Gut. Danke, Gwen. Versuchen Sie weiter, sein Büro zu erreichen.“
    „Ja, Mr. Rearden.“
    Sie verließ den Raum. Mr. Ward war aufgestanden und hielt seinen Hut in Händen. Er stotterte: „Ich glaube, ich sollte besser …“
    „Setzen Sie sich!“, befahl Rearden scharf.
    Mr. Ward gehorchte und starrte ihn an.
    „Wir hatten ein Geschäft abzuwickeln, nicht?“, sagte Rearden. Mr. Ward konnte nicht bestimmen, welche Empfindungen es waren, die Reardens Mund verzerrten, als er sprach. „Was war es noch gleich, Mr. Ward, wofür uns die korruptesten Mistkerle dieser Welt unter anderem beschuldigen? Ach ja, für unseren Leitsatz ‚Business as usual‘. Nun gut: Business as usual, Mr. Ward!“
    Er nahm den Hörer ab und verlangte nach seinem Werkleiter. „Sagen Sie, Pete … Was? … Ja, habe ich gehört. Kann es doch. Wir sprechen später darüber. Was ich wissen wollte, können Sie mir fünfhundert Tonnen Stahl zusätzlich liefern, außerhalb des Plans, in den nächsten Wochen? … Ja, ich weiß … ich weiß, es ist schwer. … Geben Sie mir die Termine und die Zahlen.“ Er hörte zu und warf eilig einige Notizen auf ein Blatt Papier. Dann sagte er: „Alles klar. Danke“, und legte auf.
    Er studierte einige Augenblicke lang die Zahlen und führte am Blattrand einige kurze Berechnungen durch. Dann hob er den Kopf.
    „Gut, Mr. Ward“, sagte er. „Sie bekommen Ihren Stahl in zehn Tagen.“
    Als Mr. Ward gegangen war, kam Rearden ins Vorzimmer. Mit gewohnter Stimme sagte er zu Miss Ives: „Telegrafieren Sie Fleming in Colorado. Er wird wissen, warum ich meine Kaufoption zurücknehmen muss.“ Sie neigte ihren Kopf wie bei einem Nicken, das Gehorsam signalisiert. Sie sah ihn nicht an.
    Er wandte sich seinem nächsten Besucher zu und sagte mit einer einladenden Geste in Richtung seines Büros: „Guten Tag. Bitte, kommen Sie herein.“
    Er würde sich später darum kümmern, dachte er; man bewegte sich Schritt für Schritt, und man musste in Bewegung bleiben. In diesem Augenblick konnte er mit unnatürlicher Klarheit, mit einer brutalen Vereinfachung, die es beinahe leicht erscheinen ließ, nur eines denken: Es darf mich nicht aufhalten.

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