Der Streik
Erpressung auszudenken, mit der ich dich bei der Stange halte und meine Minen durch dich weiter besitze. Eigentum ist etwas, was ich nicht teile. Und ich möchte es nicht durch die Gnade deiner Feigheit besitzen – durch einen ständigen Kampf, um dich auszutricksen und irgendeine Drohung aufrechtzuerhalten. So mache ich keine Geschäfte, und ich mache keine Geschäfte mit Feiglingen. Die Minen gehören dir. Wenn du entscheidest, mir Vorrecht auf all dein Erz zu geben, wirst du das tun. Wenn du entscheidest, mich zu hintergehen, steht es in deiner Macht.“
Larkin blickte verletzt. „Das ist sehr ungerecht von dir“, sagte er mit einem leichten Beiklang von Vorwurf in der Stimme. „Ich habe dir niemals Grund gegeben, mir zu misstrauen.“ Mit einer hastigen Bewegung griff er nach den Papieren.
Rearden sah, wie die Papiere in Larkins Mantelinnentasche verschwanden. Er sah den offenen Mantel, die Falten einer Weste, die straff über den feisten Bauch gezogen war, und einen Schweißfleck unter seinen Achseln.
Unwillkürlich tauchte das Bild eines Gesichts in seiner Erinnerung auf, das er vor siebenundzwanzig Jahren gesehen hatte. Es war das Gesicht eines Predigers an einer Straßenecke, an der er vorbeigekommen war, in einer Stadt, an die er sich nicht mehr erinnern konnte. Nur die schmutzigen Wände des Elendsviertels waren ihm in Erinnerung geblieben, der Regen eines Herbstabends und das selbstgerechte, boshafte Geschwätz des Mannes, sein kleiner, weit aufgerissener Mund, der in die Finsternis schrie: „… das höchste aller Ideale – dass der Mensch für das Wohl seines Bruders lebe, dass der Starke für den Schwachen arbeite, dass er, der die Gabe hat, dem diene, der sie nicht hat …“
Dann sah er den Jungen, der Hank Rearden mit achtzehn Jahren gewesen war. Er sah die Spannung in seinem Gesicht, den schnellen Gang, die trunkene Heiterkeit seines Körpers, vollgesogen mit der Energie schlafloser Nächte, die stolze Haltung des Kopfes, die klaren, ruhigen, entschlossenen Augen eines Mannes, der sich ohne Kompromisse auf das zubewegte, was er wollte. Und er sah das, was Paul Larkin zu dieser Zeit gewesen sein musste: ein Junge mit einem gealterten Babygesicht, der schmeichlerisch, freudlos lächelte, in der Hoffnung, verschont zu werden, der das Universum anflehte, ihm eine Chance zu geben. Hätte jemand ihn dem Hank Rearden jener Tage vorgeführt und ihm gesagt, dieser Junge werde das Ziel all seiner Schritte sein, der Empfänger der Energie aus seinen schmerzenden Sehnen, was hätte er wohl getan …
Es war nicht nur ein Gedanke, es war wie ein Faustschlag in seinem Schädel. Dann, als er wieder denken konnte, wusste Rearden, was der Junge, der er einst gewesen war, gefühlt hätte: den Wunsch, diesen widerlichen Larkin zu zertreten und zu zermalmen.
Er hatte niemals zuvor ein solches Gefühl erlebt. Erst nach einigen Augenblicken wurde ihm klar, dass dieses Gefühl das war, was die Menschen Hass nannten.
Er bemerkte, dass Larkin, während er sich erhob und irgendwelche Abschiedsworte murmelte, ein verwundetes, tadelndes, zusammengekniffenes Gesicht machte, als wäre er der Geschädigte.
Als er seine Kohleminen an Ken Danagger verkaufte, den Besitzer des größten Kohleunternehmens in Pennsylvania, wunderte sich Rearden, warum es in diesem Fall fast schmerzlos über die Bühne ging. Er fühlte keinen Hass. Ken Danagger war ein Mann in den Fünfzigern mit einem harten, verschlossenen Gesicht; er hatte seine Karriere als Minenarbeiter begonnen.
Als Rearden ihm die Urkunde über sein neues Eigentum übergab, sagte Danagger ungerührt: „Ich glaube, ich habe noch nicht erwähnt, dass Sie alle Kohle, die Sie von mir beziehen, zum Selbstkostenpreis bekommen.“
Rearden sah ihn erstaunt an. „Das ist gegen das Gesetz“, sagte er.
„Wer soll denn herausfinden, wie viel Bargeld ich Ihnen in Ihrem Wohnzimmer übergebe?“
„Sie sprechen von einem Preisnachlass.“
„Das ist richtig.“
„Das verstößt gegen zwei Dutzend Gesetze. Sie werden Sie schlimmer drannehmen als mich, wenn sie Sie dabei erwischen.“
„Ich weiß. Das ist Ihr Schutz – auf diese Weise sind Sie nicht auf mein Wohlwollen angewiesen.“
Rearden lächelte. Es war ein frohes Lächeln, aber er schloss dabei die Augen, als hätte er einen Schlag abbekommen. Dann schüttelte er den Kopf. „Danke“, sagte er, „aber ich bin keiner von denen. Ich erwarte nicht, dass irgendjemand für mich zum Selbstkostenpreis
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