Der Streik
die auf ihren lagen, ihm gehörten, aber alles andere in ihr erkannte keine Trennung zwischen seinem Wesen und ihrem, so wie keine Trennung zwischen Körper und Geist existierte. Bei allen Schritten, die sie in den Jahren, die hinter ihnen lagen, gegangen waren, den Schritten auf einem Weg, den sie gewählt hatten, um mutig einer einzigen Sache treu zu bleiben: ihrer Liebe zum Leben; den sie in dem Wissen gewählt hatten, dass einem nichts geschenkt wurde, dass man sich die eigenen Wünsche und jede Art ihrer Erfüllung selbst schaffen musste; als sie Metall, Schienen und Motoren geformt hatten – wurden sie von der Kraft des Gedankens vorangetrieben, dass man die Welt zum eigenen Vergnügen neu gestaltet und dass der Geist des Menschen lebloser Materie eine Bedeutung schenkt, indem er sie so formt, dass sie seinem erwählten Zweck dient. Dieser Weg führte sie zu dem Augenblick, in dem der Geist als Antwort auf diesen erhabensten ihrer Werte und in einer Verehrung, die durch keinen anderen Tribut bekundet werden kann, den Körper zu diesem Tribut macht und ihn – als Beweis, als Zustimmung, als Belohnung – in eine einzige Empfindung solch intensiven Glücks verwandelt, dass keine andere Zustimmung zur eigenen Existenz mehr erforderlich ist. Er hörte, wie ein Stöhnen aus ihr herausbrach, sie fühlte, wie sein Körper im selben Augenblick erzitterte.
IX. Das Heilige und das Profane
S ie blickte auf die leuchtenden Streifen auf der Haut ihres Armes, die sich wie Goldreifen von ihrem Handgelenk bis zur Schulter erstreckten. Es waren Bahnen aus Sonnenlicht, die durch die Jalousien vor dem Fenster in einen ihr unbekannten Raum drangen. Sie entdeckte oberhalb ihres Ellbogens eine Schramme mit dunklen Perlen getrockneten Blutes. Ihr Arm ruhte auf der Decke, die über ihren Körper gebreitet war. Sie spürte ihre Beine und Hüften, während der Rest ihres Körpers sich leicht anfühlte, als schwebte er in einem Raum, der aussah wie ein Käfig aus Sonnenstrahlen, in der Luft.
Als sie sich zu ihm umdrehte, dachte sie: Der reservierte Hank Rearden mit seiner förmlichen Art, als wäre er von Glas umschlossen, mit seinem Stolz, sich nie zu einem Gefühl bewegen zu lassen, dieser Hank Rearden lag im Bett neben ihr, nach Stunden einer rohen Zügellosigkeit, die sie nicht aussprechen konnten, nicht in Worten, nicht im Licht des Tages, die jedoch in ihren Augen lag, als sie sich ansahen, die sie aussprechen, hervorheben und einander ins Gesicht werfen wollten.
Er sah das Gesicht eines jungen Mädchens. Ihre Lippen deuteten ein Lächeln an, als wäre dieses Strahlen ihr natürlicher Entspannungszustand. Eine Haarlocke fiel über ihre Wange hinab auf die Rundung ihrer nackten Schulter, ihre Augen sahen ihn an, als wäre sie ebenso bereit, alles hinzunehmen, was er ihr sagen mochte, wie sie bereit gewesen war, alles hinzunehmen, was er mit ihr tun wollte.
Er streckte die Hand aus und strich die Locke vorsichtig, als wäre sie zerbrechlich, von ihrer Wange. Mit seinen Fingerspitzen hielt er sie nach hinten und blickte ihr ins Gesicht. Dann schlossen sich seine Finger plötzlich um das Haar, und er hob die Locke zu seinen Lippen. Die Art, wie er seinen Mund darauf presste, war voller Zärtlichkeit, doch die Art, wie er sie in seinen Fingern hielt, voller Verzweiflung.
Er ließ sich in das Kissen zurückfallen und blieb still, mit geschlossenen Augen liegen. Sein Gesicht wirkte jung und friedlich. Jetzt, wo sie es für kurze Zeit ohne die Fesseln der Anspannung sah, wurde ihr plötzlich bewusst, wie unglücklich er gewesen war. Aber das ist jetzt Vergangenheit, dachte sie. Es ist vorbei.
Er stand auf, ohne sie anzusehen. Sein Gesicht war wieder ausdruckslos und verschlossen. Er sammelte seine Kleider vom Boden auf und zog sich mitten im Raum und halb von ihr abgewandt an. Er verhielt sich nicht so, als wäre sie nicht da, sondern als zählte es nicht, dass sie es war. Seine Bewegungen, als er sich das Hemd zuknöpfte und den Gürtel seiner Hose schloss, fanden in der eiligen Präzision einer Pflichterfüllung statt.
Sie legte sich zurück in ihr Kissen, beobachtete ihn und genoss den Anblick seiner Gestalt, wenn er sich bewegte. Die grauen Hosen und das graue Hemd gefielen ihr – der Chefmechaniker der John-Galt-Linie, dachte sie, in Streifen aus Sonnenlicht und Schatten wie ein Verurteilter hinter Gittern. Aber es waren keine Gitterstäbe mehr, es waren die Risse in einer Wand, die die John-Galt-Linie verursacht hatte, ein
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