Der Streik
dass er sie tut …“
„Verstehst du eigentlich, was du sagst? Dass du auch niemals akzeptiert hast, dass ich dich will – du hast nie akzeptiert, dass es richtig ist, dass ich dich will, ebenso wie es richtig war, dass ich ihn damals wollte.“
Mit leiser Stimme sagte er: „Du hast recht.“
Sie entwand sich ihm mit einer schroffen Bewegung und stand auf; doch sie blickte mit einem leichten Lächeln zu ihm hinunter und sagte leise: „Weißt du, was deine einzige wirkliche Schuld ist? Dass du nie gelernt hast, Spaß zu haben, obwohl du die allergrößte Fähigkeit dazu hast. Du hast dein eigenes Vergnügen immer zu leichtfertig zurückgewiesen. Du bist bereit gewesen, zu viel zu ertragen.“
„Das hat er auch gesagt.“
„Wer?“
„Francisco d’Anconia.“
Er fragte sich, warum er den Eindruck hatte, dass der Name sie erschreckte und dass sie etwas zu spät antwortete: „Das hat er zu dir gesagt?“
„Wir sprachen über ein völlig anderes Thema.“
Nach einer Weile sagte sie ruhig: „Ich habe gesehen, wie du mit ihm gesprochen hast. Wer von euch hat diesmal den anderen beleidigt?“
„Keiner von uns. Was hältst du von ihm, Dagny?“
„Ich glaube, er hat ihn absichtlich herbeigeführt – diesen Zusammenbruch, der uns morgen bevorsteht.“
„Ich weiß, dass er es getan hat. Trotzdem, was denkst du von ihm als Mensch?“
„Ich weiß es nicht. Ich sollte denken, dass er die verdorbenste Person ist, die ich je getroffen habe.“
„Du solltest? Aber du tust es nicht?“
„Nein. Ich kann mich nicht recht davon überzeugen.“
Er lächelte. „Genau das ist so seltsam an ihm. Ich weiß, dass er ein Lügner und ein Nichtstuer ist, ein Playboy, die ungeheuerlichste, unverantwortlichste Verschwendung eines menschlichen Wesens, die ich mir je vorstellen konnte. Und dennoch, wenn ich ihn ansehe, habe ich das Gefühl, dass wenn es jemals einen Menschen geben sollte, dem ich mein Leben anvertrauen würde, er es wäre.“
Sie holte tief Luft. „Hank, willst du damit sagen, dass du ihn magst?“
„Ich sage nur, dass ich nicht wusste, was es bedeutet, einen Mann zu mögen, ich wusste nicht, wie sehr es mir fehlte, bis ich ihn traf.“
„Meine Güte, Hank, du hast dich von ihm einnehmen lassen!“
„Ja, ich glaube schon.“ Er lächelte. „Warum ängstigt dich das?“
„Weil … weil ich glaube, dass er dir schrecklich wehtun wird … und je mehr er dir bedeutet, desto schwerer wird es zu ertragen sein … und du wirst lange Zeit brauchen, um darüber hinwegzukommen, falls du es je schaffst. … Ich glaube, ich sollte dich vor ihm warnen, aber ich kann es nicht, weil ich bei ihm nie sicher bin, nicht einmal ob er der größte oder der niedrigste Mensch auf Erden ist.“
„Ich bin mir bei ihm keiner Sache sicher – außer dass ich ihn mag.“
„Aber denk nur daran, was er getan hat. Er hat nicht Jim und Boyle verletzt, sondern dich und mich und Ken Danagger und den Rest von uns, denn Jims Clique wird es einfach an uns auslassen – und schon haben wir die nächste Katastrophe, wie Wyatts Feuer.“
„Ja … ja, wie Wyatts Feuer. Aber weißt du, ich glaube, es macht mir nicht so viel aus. Was ist schon eine weitere Katastrophe? Es wird sowieso alles untergehen, es ist nur noch die Frage, ob es etwas schneller oder etwas langsamer geht. Alles, was uns noch zu tun bleibt, ist, das Schiff so lange wie möglich über Wasser zu halten und dann damit unterzugehen.“
„Ist das seine Rechtfertigung für sein Verhalten? Hat er dir diesen Eindruck vermittelt?“
„Nein. Oh nein! Das ist das Gefühl, das ich verliere , wenn ich mit ihm spreche. Wirklich seltam ist das Gefühl, das er mir vermittelt .“
„Welches Gefühl?“
„Hoffnung.“
Sie nickte hilflos und verwundert, weil sie wusste, dass sie dasselbe Gefühl verspürt hatte.
„Ich weiß nicht, warum“, sagte er, „aber wenn ich mir die Menschen ansehe, scheinen sie aus nichts als Leid zu bestehen. Aber er nicht. Und du auch nicht. Diese schreckliche Hoffnungslosigkeit, die rings um uns herrscht, verfliegt für mich nur in seiner Gegenwart. Und hier. Sonst nirgends.“
Sie kam zu ihm zurück, setzte sich zu seinen Füßen hin und legte ihr Gesicht auf seine Knie. „Hank, es liegen noch so viele Dinge vor uns … und so viele gerade jetzt. …“
Er betrachtete die Gestalt in hellblauer Seide, die sich an das Schwarz seiner Kleider schmiegte; er beugte sich zu ihr hinab; er sagte leise: „Dagny … die Dinge, die ich an
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