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Der Streik

Der Streik

Titel: Der Streik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayn Rand
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Gerichtsurteil, das er über sich selbst fällte. Sie lächelte traurig, nahm seine Hand und drückte sie an ihre Lippen. Sie schüttelte den Kopf, um zu zeigen, dass sie sein Urteil zurückwies, und verbarg ihr Gesicht in seiner Hand.
    „Was meinst du?“, fragte er mit weicher Stimme.
    „Nichts …“ Dann hob sie ihren Kopf und sagte bestimmt: „Ich wusste, dass du verheiratet bist, Hank. Ich wusste, was ich tat. Ich wollte es so. Es gibt nichts, was du mir schuldig bist, keine Verpflichtung, der du nachkommen musst.“
    Langsam schüttelte er protestierend den Kopf.
    „Hank, ich fordere nichts von dir außer dem, was du mir geben möchtest. Erinnerst du dich daran, dass du mich einmal eine Händlerin nanntest? Ich möchte, dass du, wenn du zu mir kommst, nichts anderes suchst als dein eigenes Vergnügen. Solange du verheiratet bleiben möchtest, aus welchem Grund auch immer, habe ich kein Recht, es dir zu verübeln. Mein Handel mit dir beinhaltet das Bewusstsein, dass die Freude, die du mir schenkst, mit der Freude bezahlt wird, die du von mir bekommst – und nicht mit deinem oder meinem Leid. Ich nehme keine Opfer an, und ich bringe auch keine. Wenn du von mir mehr fordern würdest, als du mir bedeutest, würde ich ablehnen. Wenn du von mir verlangen würdest, die Eisenbahn aufzugeben, würde ich dich verlassen. Wenn das Vergnügen des einen mit dem Leid des anderen erkauft wird, lässt man das Geschäft besser ganz bleiben. Ein Handel, bei dem einer gewinnt und der andere verliert, ist Betrug. Du würdest so etwas im Geschäftsleben nie tun. Also tu es auch nicht im Privaten.“
    Wie eine leise Tonspur, die ihren Worten unterlegt war, hörte er die Worte, die Lillian zu ihm gesagt hatte; er erkannte, welche Distanz zwischen beiden lag, welcher Unterschied in dem, was sie von ihm und vom Leben erwarteten.
    „Dagny, was denkst du über meine Ehe?“
    „Ich habe kein Recht, darüber nachzudenken.“
    „Du musst dich doch darüber gewundert haben.“
    „Das habe ich … bevor ich in Ellis Wyatts Haus war. Seither nicht mehr.“
    „Du hast mir nie irgendeine Frage darüber gestellt.“
    „Und das werde ich auch nicht.“
    Er schwieg einen Augenblick lang, dann sah er sie offen an und sagte, wie um seine Ablehnung des Privatlebens, das sie ihm immer gewährt hatte, zu unterstreichen: „Da gibt es eine Sache, die du wissen solltest: Ich habe sie nie mehr berührt seit … Ellis Wyatts Haus.“
    „Darüber bin ich froh.“
    „Dachtest du, ich könnte das?“
    „Ich habe mir nie erlaubt, mich das zu fragen.“
    „Dagny, willst du damit sagen, wenn ich es getan hätte, hättest du es auch akzeptiert?“
    „Ja.“
    „Fändest du die Vorstellung nicht grauenhaft?“
    „Ich fände sie grauenhafter, als ich dir sagen kann. Aber wenn das deine Entscheidung wäre, würde ich sie akzeptieren. Ich will dich, Hank.“
    Er ergriff ihre Hand und hob sie an seine Lippen. An der plötzlichen Bewegung, mit der er sich, fast als bräche er zusammen, auf sie stürzte und seinen Mund auf ihre Schulter presste, spürte sie, dass sein Körper sich kurz gewehrt hatte. Dann zog er sie heran, legte ihren Körper in dem hellblauen Nachthemd ausgestreckt über seine Knie und hielt ihn mit solcher Gewalt fest, als hasste er sie für ihre Worte und als wären es zugleich die Worte gewesen, die er am meisten ersehnt hatte.
    Er beugte sein Gesicht hinunter zu ihrem, und sie vernahm die Frage, die während der Nächte des hinter ihnen liegenden Jahres immer und immer wieder aufgetaucht und ungewollt aus ihm herausgebrochen war wie eine plötzliche Entladung, die seine dauernde geheime Qual verriet: „Wer war dein erster Mann?“
    Sie bog sich in dem Versuch, sich von ihm zu befreien, nach hinten, aber er hielt sie fest.
    „Nein, Hank“, sagte sie mit einem harten Gesichtsausdruck.
    Das kurze Straffen seiner Lippen war ein Lächeln. „Ich weiß, dass du mir nicht antworten wirst, aber ich werde nicht aufhören zu fragen – denn das werde ich nie akzeptieren können.“
    „Frage dich, warum du es nicht akzeptieren willst.“
    Während sich seine Hand langsam von ihrer Brust zu ihren Knien hinabbewegte, als wollte er sein Besitzrecht betonen und als hasste er es, antwortete er: „Weil … die Dinge, die du mich tun ließest … ich hätte nie gedacht, dass du das könntest, niemals, nicht einmal mir zuliebe … aber zu entdecken, dass du sie tust und dass du noch dazu einem anderen Mann erlaubt hast, sie zu tun, und wolltest,

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