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Der Streik

Der Streik

Titel: Der Streik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayn Rand
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„Colorado wird nicht zum Stillstand kommen. Sie schaffen das. Dann wird Dan Conway zurückkommen, gemeinsam mit anderen. All dieser Irrsinn ist nur vorübergehend. Das kann nicht von Dauer sein. Es ist verrückt, deshalb wird es sich selbst erledigen. Sie und ich, wir werden einfach für eine Weile noch ein bisschen härter arbeiten müssen, das ist alles.“
    Sie sah zu, wie seine hochgewachsene Gestalt im Büro auf und ab ging. Das Büro passte zu ihm. Es enthielt nichts weiter als die wenigen Möbelstücke, die er benötigte; alle streng reduziert auf ihren grundlegenden Zweck, alle ausnehmend kostspielig aufgrund der ausgesuchten Qualität der Materialien und der kunstfertigen Ausführung. Der Raum sah aus wie ein Motor – ein Motor, der sich im Glaskasten der großzügigen Fenster befand. Doch sie bemerkte ein Detail, das sie verwunderte: eine Vase aus Jade, die oben auf einem Aktenschrank stand. Sie war aus solidem, dunkelgrünem Stein geschnitten und hatte eine glatte Oberfläche. Ihre weichen Rundungen weckten den unwiderstehlichen Wunsch, sie zu berühren. Sie wirkte überraschend in diesem Büro, passte nicht zu der Strenge des Übrigen: Sie war eine Andeutung von Sinnlichkeit.
    „Colorado ist eine großartige Gegend“, sagte er. „Es wird die beste im ganzen Land werden. Sie sind nicht sicher, ob ich mich dafür interessiere? Dieser Bundesstaat ist dabei, zu einem meiner besten Kunden zu werden, das wüssten Sie, wenn Sie sich die Zeit nehmen würden, die Berichte über Ihren Güterverkehr zu lesen.“
    „Ich weiß. Ich lese sie.“
    „Ich habe darüber nachgedacht, dort in ein paar Jahren ein Werk zu bauen. Um den Leuten Ihre Transportspesen zu ersparen.“ Er sah zu ihr hin. „Sie werden eine Menge Stahltransporte verlieren, wenn ich das tue.“
    „Tun Sie das nur. Ich werde schon damit zufrieden sein, Ihren Nachschub zu transportieren und die Lebensmittel für Ihre Arbeiter und die Fracht für die Fabriken, die Ihnen dorthin folgen werden – und vielleicht werde ich nicht einmal Zeit haben zu bemerken, dass ich Ihren Stahl verloren habe. … Warum lachen Sie?“
    „Es ist wunderbar.“
    „Was?“
    „Die Art, mit der Sie nicht reagieren, wie jeder andere heutzutage reagieren würde.“
    „Trotzdem muss ich zugeben, dass Sie zurzeit der wichtigste Einzelspediteur von Taggart Transcontinental sind.“
    „Denken Sie, das weiß ich nicht?“
    „Dann kann ich nicht verstehen, warum Jim …“ Sie unterbrach sich.
    „… alles versucht, um mein Geschäft zu schädigen? Weil Ihr Bruder Jim ein Dummkopf ist.“
    „Das ist er. Aber es steckt mehr dahinter. Es ist etwas Schlimmeres als bloße Dummheit.“
    „Verschwenden Sie nicht Ihre Zeit damit, aus ihm schlau werden zu wollen. Lassen Sie ihn ruhig bellen, er stellt für niemanden eine Gefahr da. Die Welt ist voll von Leuten wie James Taggart.“
    „Wahrscheinlich.“
    „Nur so nebenbei, was hätten Sie eigentlich getan, wenn ich gesagt hätte, dass ich die Schienen nicht früher liefern kann?“
    „Ich hätte Nebengleise herausgerissen oder eine Nebenstrecke geschlossen und die Schienen dazu verwendet, die Rio-Norte-Trasse pünktlich fertigzustellen.“
    Er lachte auf. „Das ist genau der Grund, warum ich mir um Taggart Transcontinental keine Sorgen mache. Aber Sie werden keine Schienen aus alten Nebengleisen nehmen müssen. Nicht solange ich im Geschäft bin.“
    Sie dachte plötzlich, dass sie sich geirrt hatte, was seinen Mangel an Emotionen anbelangte. In seinem Verhalten schwang eine versteckte Freude mit. Ihr wurde klar, dass sie in seiner Gegenwart immer schon eine unbeschwerte Entspannung empfunden hatte, und sie wusste, ihm ging es ebenso. Er war der einzige Mann, den sie kannte, mit dem sie sich entspannt und mühelos unterhalten konnte. Dieser Mann, dachte sie, besaß einen Verstand, den sie respektierte, er war ein Gegner, der es wert war, sich mit ihm zu messen. Dennoch war da immer diese seltsame Distanz zwischen ihnen gewesen, die sich anfühlte wie eine geschlossene Tür. Sein Verhalten hatte etwas Unpersönliches; etwas an ihm war unerreichbar.
    Er war beim Fenster stehen geblieben. Einen Augenblick lang sah er hinaus. „Wissen Sie eigentlich, dass die erste Lieferung Schienen heute an Sie hinausgeht?“ fragte er.
    „Selbstverständlich weiß ich das.“
    „Kommen Sie.“
    Sie trat zu ihm. Wortlos zeigte er mit dem Finger hinaus. Weit drüben, jenseits des Stahlwerks, sah sie eine Reihe offener Güterwagen, die auf

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