Der Streik
Madrid verbracht, im Haus des Herzogs von Alba.“
„Warum wolltest du für die Eisenbahn arbeiten?“, fragte Dagny.
Sie sahen einander an. Ihr Blick verriet Bewunderung, seiner Spott. Doch es war kein boshafter Spott, es war ein respektvolles Lachen.
„Damit ich lerne, wie das ist, Slug“, antwortete er, „und damit ich dir sagen kann, dass ich vor dir für Taggart Transcontinental gearbeitet habe.“
Dagny und Eddie verbrachten ihre Winter damit, sich neue Fertigkeiten anzueignen, um Francisco zu überraschen und ihn zu übertrumpfen, wenigstens ein Mal. Sie schafften es nie. Als sie ihm zeigten, wie man einen Ball mit einem Schlagholz schlägt, ein Spiel, das er nie zuvor gespielt hatte, sah er ihnen einige Minuten lang zu und sagte dann: „Ich glaube, ich habe es verstanden. Lasst mich mal versuchen.“ Er nahm das Schlagholz und katapultierte den Ball über eine Reihe von Eichen hinaus, die am anderen Ende des Feldes standen.
Als Jim zu seinem Geburtstag ein Motorboot bekam, standen sie alle auf dem Steg am Flussufer und beobachteten, wie ein Lehrer Jim beibrachte, damit zu fahren. Keiner von ihnen hatte je zuvor ein Motorboot gelenkt. Das glänzende weiße Gefährt, das die Form eines Geschosses hatte, schwankte unbeholfen über das Wasser, das Kielwasser war eine lange, verwackelte Spur, der Motor hustete, während der Fahrlehrer, der neben Jim saß, ihm immer wieder das Steuerrad aus der Hand nahm. Ohne ersichtlichen Grund hob Jim plötzlich den Kopf und schrie Francisco an: „Glaubst du, du kannst es besser?“ „Das kann ich.“ „Dann versuch’s doch!“
Als das Boot wieder angelegt hatte und die beiden Insassen von Bord gegangen waren, schlüpfte Francisco hinter das Steuerrad. „Warten Sie einen Moment“, sagte er zu dem Fahrlehrer, der auf dem Steg geblieben war. „Lassen Sie mich mal einen Blick darauf werfen.“ Dann, bevor der Fahrlehrer Zeit gefunden hatte zu reagieren, schoss das Boot hinaus auf die Mitte des Flusses, als wäre es aus einer Kanone abgefeuert worden. Es war auf und davon geprescht, bevor irgendjemand begreifen konnte, was er sah. Als das Boot in der Ferne im Sonnenlicht immer kleiner wurde, prägte sich Dagny ein Bild aus drei geraden Linien ein: das Kielwasser, das langgezogene Heulen des Motors und das Ziel des Fahrers am Steuerrad.
Sie bemerkte den seltsamen Ausdruck im Gesicht ihres Vaters, als er dem entschwindenden Rennboot nachsah. Er sagte nichts, er stand nur da und schaute. Sie erinnerte sich, dass sie diesen Blick zuvor schon einmal gesehen hatte. Damals besichtigte er ein komplexes Konstrukt aus Flaschenzügen, das Francisco im Alter von zwölf Jahren gebaut hatte, um einen Aufzug zur Spitze eines Felsens zu bauen. Er brachte Dagny und Eddie bei, von dem Felsen in den Hudson zu springen. Franciscos Berechnungen lagen immer noch auf dem Boden herum. Ihr Vater hob sie auf, besah sie und fragte dann: „Wie viele Jahre hattest du schon Algebra in der Schule, Francisco?“ „Zwei Jahre.“ „Wer hat dir das hier beigebracht?“ „Ach, das ist nur etwas, was ich mir ausgedacht habe.“ Sie wusste nicht, dass sich auf den zerknüllten Blättern, die ihr Vater in der Hand hielt, die Rohform einer Differenzialgleichung befand.
Die Erben von Sebastián d’Anconia waren eine ununterbrochene Linie von erstgeborenen Söhnen, die seinen Namen würdig zu tragen wussten. Es war ein alter Grundsatz der Familie, dass derjenige Erbe ihr Schande bereiten würde, der starb, ohne ein Vermögen zu hinterlassen, das größer war als das, was er übernommen hatte. Über viele Generationen blieb der Familie diese Schande erspart. Eine argentinische Legende besagte, dass die Hand eines d’Anconias die wunderwirkende Kraft der Heiligen habe – nur war es nicht die Kraft zu heilen, sondern die Kraft, etwas zu schaffen.
Die D’Anconia-Erben waren Männer von außergewöhnlichem Talent, aber keiner von ihnen reichte an das heran, was Francisco d’Anconia zu werden versprach. Es war, als hätten die Jahrhunderte die Eigenschaften dieser Familie durch ein feines Sieb gefiltert, alles Irrelevante, Belanglose und Schwache verworfen und nichts durchgelassen als reine Begabung; als hätte das Schicksal ein einziges Mal ein von Zufälligkeiten befreites Wesen geschaffen.
Francisco konnte alles, was er anfasste. Er konnte es besser als alle anderen, und es kostete ihn keine Mühe. Er prahlte nicht damit, war sich dessen gar nicht bewusst und dachte nicht daran, sich mit anderen
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