Der Streik
ausgedehnte Gärten gehörten, und in der Ferne waren die von Stollen roten Erzes durchzogenen Berge zu sehen. Er trug sie auf seinen Armen über die Schwelle seines Hauses. Er sah jünger aus als damals, als sie ihn zuletzt gesehen hatte.
„Unsere Vorfahren“, sagte Francisco einmal zu Dagny, „hätten sich sicher gemocht.“
Während all der Jahre ihrer Kindheit lebte Dagny in der Zukunft – in der Welt, die sie zu finden hoffte, in der sie weder Verachtung noch Langeweile würde empfinden müssen. Aber einen Monat lang war sie jedes Jahr frei. Einen Monat lang konnte sie in der Gegenwart leben. Wenn sie den Hügel hinabstürmte, um Francisco d’Anconia zu begrüßen, war das für sie ein Ausbruch aus dem Gefängnis.
„Hallo, Slug!“
„Hallo, Frisco!“
Am Anfang hatten sich beide über ihre Spitznamen geärgert. Sie hatte ihn einmal erbost gefragt: „Was willst du damit sagen?“ Er hatte geantwortet: „Für den Fall, dass du es nicht weißt, ‚Slug‘ ist keine Schnecke, sondern ein großes Feuer in der Feuerbüchse einer Lokomotive.“ „Wo hast du das denn aufgeschnappt?“ „Bei den Männern entlang der Taggart-Gleise.“ Er sprach fünf Sprachen, und er sprach Englisch ohne die Spur eines Akzents, ein präzises, kultiviertes Englisch, das er bewusst mit etwas Slang vermischte. Sie hatte sich gerächt, indem sie ihn Frisco nannte. Er hatte gelacht, amüsiert und verärgert zugleich. „Wenn ihr Barbaren schon den Namen einer eurer großartigsten Städte entstellen müsst, könntest du es wenigstens bei mir unterlassen.“ Aber mit der Zeit freundeten sie sich mit ihren Spitznamen an.
Es hatte in den Tagen ihres zweiten gemeinsamen Sommers begonnen, als er zwölf Jahre alt war und sie zehn. In diesem Sommer begann Francisco jeden Morgen zu verschwinden, und niemand konnte herausfinden, warum. Noch vor der Morgendämmerung fuhr er auf seinem Fahrrad davon und kam rechtzeitig zurück, um an dem auf der Terrasse mit weißem Porzellan und Kristallgläsern gedeckten Mittagstisch zu erscheinen, höflich, pünktlich und etwas zu unschuldig. Er lachte und weigerte sich zu antworten, wenn Dagny und Eddie ihn ausfragten. Sie versuchten einmal, ihm frühmorgens, als es noch kalt und dunkel war, nachzugehen, aber sie gaben auf. Niemand konnte ihn verfolgen, wenn er nicht verfolgt werden wollte.
Nach einer Weile begann Mrs. Taggart, sich Sorgen zu machen, und beschloss, Nachforschungen anzustellen. Sie kam nie dahinter, wie er es geschafft hatte, die Gesetze gegen Kinderarbeit zu umgehen, aber sie fand heraus, dass Francisco inoffiziell als Laufbursche für eine zehn Meilen entfernte Außenstelle von Taggart Transcontinental arbeitete. Der Fahrdienstleiter war bestürzt über ihren Besuch; er hatte keine Ahnung gehabt, dass sein Laufbursche ein Hausgast der Taggarts war. Die örtlichen Eisenbahner kannten den Jungen unter dem Namen Frankie, und Mrs. Taggart zog es vor, sie nicht über seinen vollen Namen zu informieren. Stattdessen erklärte sie nur, dass der Junge ohne die Erlaubnis seiner Eltern arbeite und auf der Stelle kündigen müsse. Dem Fahrdienstleiter tat es leid, ihn zu verlieren; Frankie, sagte er, sei der beste Laufbursche gewesen, den er je gehabt habe. „Ich würde ihn wirklich gern behalten. Vielleicht könnten wir uns mit seinen Eltern einigen“, schlug er vor. „Ich fürchte, das wird nicht gehen“, sagte Mrs. Taggart zurückhaltend.
„Francisco“, fragte sie auf dem Nachhauseweg, „was würde dein Vater sagen, wenn er das erfahren würde?“
„Mein Vater würde wissen wollen, ob ich meinen Job gut gemacht habe oder nicht. Das ist alles, was ihn interessieren würde.“
„Nein, ehrlich, ich meine das ernst.“
Francisco sah sie höflich an. Sein gewandtes Auftreten zeigte eine über Jahrhunderte weitergegebene gute Erziehung; aber etwas in seinen Augen ließ sie an dieser Höflichkeit zweifeln. „Letzten Winter“, antwortete er, „habe ich als Schiffsjunge auf einem Frachter angeheuert, der D’Anconia-Kupfer transportierte. Mein Vater hat mich drei Monate lang gesucht, aber das war alles, was er mich fragte, als ich zurückkam.“
„So verbringst du also deine Winter“, sagte Jim Taggart. Jims Lächeln hatte etwas von einem Triumph, dem Triumph, einen Grund für sein Gefühl der Verachtung gefunden zu haben.
„Das war letzten Winter“, antwortete Francisco freundlich, ohne etwas an seinem unschuldigen, beiläufigen Ton zu ändern. „Den Winter davor habe ich in
Weitere Kostenlose Bücher