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Der Streik

Der Streik

Titel: Der Streik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayn Rand
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beide die Ziele und die Beweggründe des anderen.
    Von Zeit zu Zeit wurden sie von Eisenbahnschaffnern erwischt. Dann rief der Vorsteher eines hundert Meilen entfernten Bahnhofs bei Mrs. Taggart an: „Wir haben hier drei kleine Landstreicher, die sagen, sie sind …“ „Ja“, seufzte Mrs. Taggart dann, „das sind sie. Bitte schicken Sie sie zurück.“
    „Sag mal, Francisco“, fragte ihn Eddie einmal, als sie am Bahnsteig eines Taggart-Bahnhofes standen, „du bist doch schon fast überall auf der Welt gewesen. Was ist die wichtigste Sache der Welt?“ „Das hier“, antwortete Francisco und deutete auf das TT-Emblem vorne auf einer Lokomotive. Er fügte hinzu: „Ich wünschte, ich hätte Nat Taggart gekannt.“
    Er bemerkte, wie Dagny ihn ansah. Er sagte nichts weiter. Aber einige Minuten später, als sie im Sonnenschein durch die Wälder weitergingen, einen engen, feuchten, von Farnen gesäumten Pfad hinunter, sagte er: „Ich werde mich immer vor einem Wappen verbeugen, Dagny. Ich werde die Symbole des Adels immer verehren. Sollte ich da nicht ein Aristokrat sein? Nur dass ich mich einen Dreck um mottenzerfressene Türmchen und Einhörner aus zehnter Hand schere. Die Wappen unserer Zeit finden sich auf den Reklametafeln und in den Anzeigen bekannter Zeitschriften.“ „Was meinst du damit?“, fragte Eddie. „Warenzeichen, Eddie“, antwortete er.
    Francisco war in diesem Sommer fünfzehn Jahre alt.
    „Wenn ich einmal D’Anconia Copper leite …“ „Ich studiere Bergbau und Mineralogie, weil ich bereit sein muss für die Zeit, wenn ich D’Anconia Copper leite. …“ „Ich studiere Elektrotechnik, weil Energieunternehmen die besten Kunden von D’Anconia Copper sind …“ „Ich werde Philosophie studieren, weil ich es brauche, um D’Anconia Copper zu schützen …“
    „Denkst du nie an etwas anderes als an D’Anconia Copper?“, fragte Jim ihn einmal.
    „Nein.“
    „Es scheint mir, als gäbe es auch andere Dinge auf der Welt.“
    „Lassen wir doch andere darüber nachdenken.“
    „Ist das nicht eine egoistische Einstellung?“
    „Ja, das ist es.“
    „Hinter was bist du her?“
    „Geld.“
    „Hast du davon noch nicht genug?“
    „Jeder meiner Vorfahren hat in seinem Leben die Produktion von D’Anconia Copper um etwa zehn Prozent gesteigert. Ich habe vor, sie um hundert zu steigern.“
    „Wozu?“ , fragte Jim sarkastisch, indem er Franciscos Stimme nachahmte.
    „Wenn ich sterbe, hoffe ich, komme ich in den Himmel – was zur Hölle das auch immer ist –, und ich möchte dann genug Geld haben, um den Eintrittspreis zu bezahlen.“
    „Tugendhaftigkeit ist der Eintrittspreis“, sagte Jim hochmütig.
    „Genau das meine ich, James. Ich möchte darauf vorbereitet sein, die größte Tugend, die es gibt, geltend zu machen – nämlich dass ich ein Mann war, der Geld gemacht hat.“
    „Jeder Schieber kann Geld machen.“
    „James, du wirst eines Tages erkennen, dass Worte eine exakte Bedeutung haben.“
    Francisco lächelte. Es war ein Lächeln, das Spott verströmte. Als sie beide beobachtete, wurde Dagny plötzlich der Unterschied zwischen Francisco und ihrem Bruder Jim bewusst. Jeder von ihnen lächelte spöttisch. Aber Francisco schien die Dinge anzulachen, weil er etwas Größeres in ihnen sah. Jim lachte, als wollte er nichts Großes bestehen lassen.
    Sie bemerkte diese spezielle Beschaffenheit von Franciscos Lächeln noch einmal, eines Abends, als sie mit ihm und Eddie an einem Lagerfeuer saß, das sie im Wald entzündet hatten. Der Feuerschein schloss sie in einen Zaun aus durchbrochenen, bewegten Streifen ein, der Stücke von Baumstämmen, Zweige und ferne Sterne enthielt. Sie hatte das Gefühl, als existierte nichts außerhalb dieser Umzäunung, nichts als schwarze Leere, die eine atemberaubende, furchterregende Verheißung barg … die der Zukunft. Aber die Zukunft, dachte sie, würde so sein wie Franciscos Lächeln. Darin lag der Schlüssel dazu, die Ankündigung dessen, was kommen würde – in seinem Gesicht im Feuerschein unter den Kieferzweigen. Und plötzlich empfand sie ein fast unerträgliches Glücksgefühl, unerträglich, weil es so stark war und sie keinen Weg sah, es auszudrücken. Sie blickte hinüber zu Eddie. Er sah Francisco an. In der ihm eigenen ruhigen Art empfand Eddie wie sie.
    „Warum magst du Francisco?“, fragte sie ihn Wochen später, als Francisco schon fort war.
    Eddie blickte erstaunt. Es war ihm niemals in den Sinn gekommen, dass jemand

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