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Der Streik

Der Streik

Titel: Der Streik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayn Rand
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amerikanischen Universitäten, die sein Vater für ihn schon vor langer Zeit ausgewählt hatte. Es handelte sich um die letzte in der Welt verbliebene bedeutende Bildungseinrichtung, die Patrick-Henry-Universität in Cleveland. Er kam sie diesen Winter nicht in New York besuchen, obwohl die Stadt nur eine Tagesreise entfernt war. Sie schrieben einander nicht, denn das hatten sie auch zuvor nie getan. Aber sie wusste, dass er wieder für einen Sommermonat zu ihnen aufs Land kommen würde.
    Einige Male in diesem Winter überkam sie eine unbestimmte Vorahnung. Die Worte des Professors gingen ihr nicht aus dem Kopf, wie eine Warnung, die sie sich nicht erklären konnte. Sie schob sie beiseite. Wenn sie an Francisco dachte, empfand sie die beruhigende Gewissheit, dass sie einen weiteren Monat Vorschuss auf die Zukunft bekommen würde, als Beweis, dass die Welt, die sie vor sich sah, real war, auch wenn es nicht die Welt der Leute war, die sie umgaben.
    „Hallo, Slug!“
    „Hallo, Frisco!“
    Als sie oben am Hügel stand und ihn wiedersah, begriff sie im ersten Moment das Wesen dieser Welt, die sie zusammen gegen alle anderen verteidigten. Es war nur ein kurzer Augenblick, in dem sie fühlte, wie ihr Baumwollrock im Wind gegen ihre Knie schlug und die Sonne auf ihre Augenlider strahlte. Sie fühlte den Auftrieb einer so starken Erleichterung, dass sie ihre Füße fest in das Gras unter ihren Sandalen grub, weil sie dachte, sie würde sonst mit dem Wind schwerelos emporschweben.
    Es war das plötzliche Gefühl von Freiheit und Sicherheit – weil ihr klar wurde, dass sie nichts von seinem Leben wusste, nie gewusst hatte und auch nie würde wissen müssen. Die Welt der Zufälligkeiten – von Familien, Mahlzeiten, Schulen, von ziellosen Menschen, die die Last einer unbekannten Schuld hinter sich herzogen – war nicht ihrer beider Welt und keine, die ihn verändern oder für ihn Bedeutung haben konnte. Er und sie hatten nie über Dinge gesprochen, die ihnen zugestoßen waren, sondern nur darüber, was sie dachten und was sie einmal tun würden. … Sie sah ihn still an, als sagte eine Stimme in ihrem Inneren: Nicht die Dinge, die sind, sondern die Dinge, die wir schaffen … Wir werden nicht aufgehalten werden, du und ich … Vergib mir die Furcht, ich könnte dich an sie verlieren; vergib mir die Zweifel, sie werden nie an dich herankommen, ich werde mich nie mehr um dich sorgen. …
    Auch er stand einen Augenblick lang da und sah sie an – und es schien ihr, als wäre es kein reiner Blick der Begrüßung nach einer Zeit der Abwesenheit, sondern der Blick eines Menschen, der jeden einzelnen Tag dieses Jahres an sie gedacht hatte. Sie konnte es nicht mit Sicherheit sagen, es war nur ein kurzer Moment, so schnell vorüber, dass sobald sie den Blick erwiderte, er sich umwandte, auf die Birke hinter sich zeigte und in dem Ton ihres Kindheitsspieles sagte: „Ich wünschte, du würdest lernen, schneller zu laufen. Ich werde immer auf dich warten müssen.“
    „Wirst du denn auf mich warten?“, antwortete sie fröhlich.
    Er antwortete ernst: „Immer.“
    Als sie den Hügel hinauf zum Haus gingen, unterhielt er sich mit Eddie, während sie still an seiner Seite ging. Sie fühlte eine neue Zurückhaltung zwischen ihnen, die seltsamerweise eine neue Art von Intimität war.
    Sie stellte ihm keine Fragen über die Universität. Einige Tage später fragte sie ihn lediglich, ob es ihm dort gefiele.
    „Heutzutage wird eine Menge Unsinn unterrichtet“, antwortete er, „aber es gibt einige Kurse, die ich mag.“
    „Hast du dort neue Freunde gefunden?“
    „Zwei.“
    Mehr erzählte er ihr nicht.
    Jim stand vor seinem Abschlussjahr an einem College in New York. Sein Studium hatte ihn eine seltsame nervöse Angriffslust entwickeln lassen, als hätte er eine neue Waffe entdeckt. Einmal sprach er Francisco an, indem er ihn, ohne provoziert worden zu sein, mitten auf dem Rasen anhielt und in einem selbstgerechten, aggressiven Ton sagte: „Jetzt, wo du alt genug fürs College bist, solltest du, glaube ich, etwas über Ideale lernen. Es ist an der Zeit, deine selbstsüchtige Gier zu vergessen und etwas über deine soziale Verantwortung nachzudenken, denn ich glaube, dass all die Millionen, die du einmal erben willst, nicht für dein persönliches Vergnügen da sind, sondern für das Wohl der Unterprivilegierten und Armen, und ich finde, dass jemand, der das nicht versteht, zur verdorbensten Sorte Mensch zählt.“
    Francisco antwortete

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