Der Streik
erzählen kann, der es Ihnen erzählt.“ Plötzlich verzogen sich die schmerzverzerrten Gesichtszüge des Jungen zu einem Lächeln; in seiner Stimme klang der Triumph eines ganzen Lebens an, als er hinzufügte: „Ich habe es geschafft.“ Dann riss er den Kopf hoch und fragte staunend wie ein Kind, das eine Überraschung entdeckt: „Mr. Rearden, fühlt es sich so an … etwas sehr zu wollen … es unbedingt zu wollen … und es zu schaffen?“
„Ja, mein Junge, so fühlt es sich an.“ Der Kopf des Jungen fiel zurück auf Reardens Arm, die Augen schlossen sich, der Mund entspannte sich wie in tiefster Befriedigung. „Aber da können Sie nicht aufhören. Sie sind noch nicht fertig. Sie müssen durchhalten, bis ich Sie zu einem Arzt gebracht habe und …“ Vorsichtig hob er den Körper an, doch das Gesicht das Jungen verzerrte sich vor Schmerz, sein Mund öffnete sich zu einem Schrei – und Rearden musste ihn behutsam wieder ablegen.
Mit einem beinahe entschuldigenden Blick schüttelte der Junge den Kopf. „Ich schaffe es nicht, Mr. Rearden … Hat keinen Sinn, mich selbst zu belügen … Ich weiß, ich bin erledigt.“
Dann schien es, als schreckte er vor aufkommendem Selbstmitleid zurück, und er fügte hinzu, indem er eine auswendig gelernte Lektion aufsagte und sich dabei verzweifelt um seinen früheren zynisch-altklugen Ton bemühte: „Was spielt es für eine Rolle, Mr. Rearden? … Der Mensch ist bloß eine Ansammlung … konditionierter Chemikalien … und der Tod eines Mannes … spielt keine … keine größere Rolle als der eines Tiers.“
„Sie wissen es besser.“
„Ja“, flüsterte er. „Ja, ich denke schon.“
Sein Blick wanderte durch die weite Dunkelheit und dann hoch zu Reardens Gesicht; in seinen Augen lagen Hilflosigkeit, Sehnsucht, kindliche Verwirrung. „Ich weiß … es ist Mist, all das, was sie uns beigebracht haben … alles, alles, was sie gesagt haben … über das Leben … oder das Sterben … Sterben … für Chemikalien spielt das keine Rolle, aber …“ Er brach ab, und sein verzweifelter Protest war nur an seinem dringlichen Ton zu hören, als er nun leiser fortfuhr: „… aber für mich schon … Und … und ich schätze, für Tiere spielt es auch eine Rolle … Aber sie haben gesagt, es gibt keine Werte … nur gesellschaftliche Konventionen … Keine Werte!“ Er presste die Hand blindlings auf das Loch in seiner Brust, als wollte er festhalten, was er verlor. „Keine … Werte …“
Dann riss er die Augen weiter auf, wurde unvermittelt ruhig und sagte ganz offen: „Ich würde so gerne leben, Mr. Rearden. Oh Gott, wie gerne würde ich leben!“ Seine leise Stimme war voller Leidenschaft. „Nicht weil ich sterbe … sondern weil ich gerade heute Abend erst entdeckt habe, was es bedeutet, wirklich lebendig zu sein … Und … es ist komisch … wissen Sie, wann ich es entdeckt habe? … Im Büro … als ich meinen Hals riskiert habe … als ich diesen Mistkerlen gesagt habe, sie könnten zum Teufel gehen … Es gibt … es gibt so vieles, was ich gerne früher gewusst hätte … Aber … was geschehen ist, ist geschehen.“ Er bemerkte, dass Rearden unwillkürlich auf die Spur aus niedergedrückten Pflanzen blickte, und fügte hinzu: „In jeder Hinsicht, Mr. Rearden.“
„Hören Sie zu, mein Junge“, sagte Rearden streng, „ich möchte, dass Sie mir einen Gefallen tun.“
„ Jetzt , Mr. Rearden?“
„Ja. Jetzt.“
„Aber natürlich, Mr. Rearden … wenn ich kann.“
„Sie haben mir heute Abend schon einen großen Gefallen getan, aber ich möchte, dass Sie mir einen noch größeren tun. Sie haben das großartig gemacht, von diesem Schlackehaufen zurück hier heraufzuklettern. Wollen Sie jetzt etwas für mich tun, das noch viel schwerer ist? Sie waren bereit zu sterben, um mein Stahlwerk zu retten. Werden Sie versuchen, für mich weiterzuleben?“
„Für Sie , Mr. Rearden?“
„Für mich. Weil ich Sie darum bitte. Weil ich es möchte. Weil immer noch eine lange Strecke vor uns liegt, die wir gemeinsam hinaufklettern müssen, Sie und ich.“
„Ist … ist Ihnen das denn wichtig, Mr. Rearden?“
„Ja. Werden Sie sich dafür entscheiden weiterzuleben, wie Sie es da unten auf dem Schlackehaufen getan haben? Durchzuhalten und weiterzuleben? Werden Sie darum kämpfen? Sie wollten meinen Kampf ausfechten. Werden Sie diesen Kampf mit mir zusammen ausfechten, als unseren ersten gemeinsamen Kampf?“
Er spürte, wie der Junge heftig seine Hand
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