Der Streik
ohne Geruchssinn leben – doch sie behaupten, der Mensch, das komplexeste aller Wesen, könne auf jedwede Art überleben, der Mensch habe keine Identität, keine eigene Natur, und es gebe keinen praktischen Grund, weshalb er nicht überleben könne, wenn man seine Überlebensgrundlage zerstört und seinen Verstand erdrosselt und ihn jedem Befehl unterwirft, den zu erteilen ihnen in den Sinn kommt.
Fegt jene von Hass zerfressenen Mystiker hinweg, die sich als Menschenfreunde ausgeben und predigen, die höchste Tugend, die man praktizieren könne, bestünde darin, sein eigenes Leben als wertlos zu betrachten. Erzählen sie euch, der Zweck der Moral sei es, den Selbsterhaltungsinstinkt des Menschen zu entkräften? Eben zum Zweck der Selbsterhaltung braucht der Mensch einen Moralkodex. Nur ein Mensch, der leben will, will moralisch sein.
Nein, ihr müsst nicht leben; ob ihr leben wollt, ist eure grundlegende Entscheidung. Doch wenn ihr euch entscheidet zu leben, seid ihr gezwungen, als Mensch zu leben – mittels der Arbeit und des Urteilsvermögens eures Verstandes.
Nein, ihr müsst nicht als Mensch leben, denn dazu muss man eine moralische Entscheidung treffen. Aber ihr könnt nicht als etwas anderes leben – und die Alternative besteht in jenem Zustand eines lebenden Todes, den ihr jetzt in euch und eurer Umgebung seht, dem Zustand eines zur Existenz untauglichen Geschöpfs, das nicht mehr Mensch und weniger als ein Tier ist, eines Geschöpfs, das nur Schmerz kennt und sich zeitlebens in der Qual gedankenloser Selbstzerstörung von einem Tag zum nächsten schleppt.
Nein, ihr müsst nicht denken; es setzt eine moralische Entscheidung voraus. Doch jemand musste denken, um euch am Leben zu erhalten; wenn ihr euch entscheidet, es zu unterlassen, unterlasst ihr es zu leben und bürdet die Last irgendeinem moralischen Menschen auf und erwartet, dass er sein Gutes dafür opfert, dass ihr durch euer Böses überlebt.
Nein, ihr müsst kein Mensch sein, aber diejenigen, die es sind, sind nicht mehr da. Ich habe euch eure Überlebensgrundlage weggenommen – eure Opfer.
Falls ihr wissen wollt, wie ich das getan und was ich ihnen gesagt habe, um sie zum Weggehen zu bewegen: Ihr hört es jetzt. Ich habe ihnen im Wesentlichen dasselbe erklärt, was ich heute Abend erkläre. Sie haben meinem Kodex entsprechend gelebt, waren sich aber der besonderen Tugendhaftigkeit dessen nicht bewusst. Ich habe ihnen die Augen dafür geöffnet. Ich habe ihnen nicht zu einer Neubewertung, sondern zu einer Identifikation ihrer Werte verholfen.
Wir, die Verstandesmenschen, sind jetzt im Namen eines einzigen Axioms gegen euch in den Streik getreten. Es liegt unserem Moralkodex zugrunde, so wie eurem Kodex der Wunsch zugrunde liegt, diesem Axiom zu entkommen: das Axiom, dass Existenz existiert .
Existenz existiert – und das Begreifen dieser Aussage impliziert zwei daraus folgende Axiome: dass etwas existiert, das wahrgenommen wird, und dass jemand existiert, der ein Bewusstsein besitzt, denn Bewusstsein ist das Vermögen, Existierendes wahrzunehmen.
Wenn nichts existiert, kann es kein Bewusstsein geben: ein Bewusstsein ohne Bewusstseinsinhalt ist ein Widerspruch in sich. Ein Bewusstsein, das sich allein seiner selbst bewusst ist, ist ein Widerspruch in sich: Ehe es sich selbst als Bewusstsein identifizieren kann, muss es ein Bewusstsein von etwas haben. Wenn das, was ihr wahrzunehmen behauptet, nicht existiert, dann ist das, was ihr besitzt, kein Bewusstsein.
Wie groß euer Wissen auch sein mag, diesen beiden Axiomen – Existenz und Bewusstsein – könnt ihr nicht entkommen, sie sind die beiden irreduziblen Grundvoraussetzungen jeder Handlung, die ihr ausführt, jedes Bestandteils und der Gesamtsumme eures Wissens, vom ersten Lichtstrahl, den ihr zu Beginn eures Lebens wahrgenommen habt, bis hin zur umfassendsten Gelehrsamkeit, die ihr euch bis zu dessen Ende aneignen mögt. Ob ihr die Form eines Kieselsteins oder die Struktur eines Sonnensystems erkennt, die Axiome bleiben dieselben: dass sie existiert und ihr es wisst .
Existieren bedeutet, etwas zu sein – im Unterschied zum Nichts der Nichtexistenz; es bedeutet, eine Entität mit einer bestimmten Natur und bestimmten Attributen zu sein. Vor vielen Jahrhunderten stellte der Mann, der – seiner Irrtümer ungeachtet – der größte eurer Philosophen war, die Formel auf, die den Begriff der Existenz und das Gesetz aller Erkenntnis definiert: A ist gleich A. Jedes Ding ist mit sich
Weitere Kostenlose Bücher