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Der Streik

Der Streik

Titel: Der Streik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayn Rand
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bedeutet, dann stelle niemals diese Frage. Oder willst du etwa, dass sie ihn finden? Gib ihnen keinerlei Anhaltspunkte. Erwähne niemandem gegenüber auch nur andeutungsweise, dass du ihn gekannt hast. Versuche nicht herauszufinden, ob er noch im Terminal arbeitet.“
    „Du glaubst doch nicht, dass er noch dort ist?“
    „Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass es möglich ist.“
    „Jetzt?“
    „Ja.“
    „Immer noch?“
    „Ja. Aber sprich nicht darüber, wenn du ihn nicht vernichten willst.“
    „Ich glaube, er ist fort. Er kommt nicht mehr zurück. Ich habe ihn nicht mehr gesehen, seit … seit …“
    „Seit wann?“, fragte sie scharf.
    „Seit Ende Mai. Seit dem Abend, an dem du nach Utah aufgebrochen bist, erinnerst du dich?“ Er zögerte, und mit der Erinnerung an die Begegnung an jenem Abend wurde ihm mit einem Mal auch ihre Bedeutung voll bewusst. Es kostete ihn Mühe fortzufahren: „Ich habe ihn an jenem Abend gesehen. Seither nicht mehr … Ich habe in der Kantine auf ihn gewartet … Er ist nie zurückgekommen.“
    „Ich vermute, er wird sich jetzt nicht von dir sehen lassen. Er wird dir aus dem Weg gehen. Aber halte nicht nach ihm Ausschau. Erkundige dich nicht nach ihm.“
    „Es ist merkwürdig. Ich weiß nicht einmal, welchen Namen er benutzt hat. Es war Johnny Soundso oder …“
    „Es war John Galt“, sagte sie mit einem leisen, freudlosen Lachen. „Schau nicht in den Gehaltslisten der Terminal-Arbeiter nach. Der Name steht noch dort.“
    „Einfach so? Über all die Jahre hinweg?“
    „Zwölf Jahre lang. Einfach so.“
    „Und er steht immer noch dort?“
    „Ja.“
    Nach einer kurzen Pause sagte er: „Das beweist nichts, ich weiß. Das Personalbüro hat seit der Richtlinie 10-289 keinen einzigen Namen von der Gehaltsliste gestrichen. Kündigt einer, geben sie seinen Namen und seinen Arbeitsplatz lieber einem Freund, der am Hungertuch nagt, als es der Vereinigungsbehörde zu melden.“
    „Wende dich nicht an das Personalbüro oder an sonst jemanden. Lass niemanden auf seinen Namen aufmerksam werden. Wenn du oder ich irgendwelche Erkundigungen nach ihm einziehen, könnte jemand stutzig werden. Halte nicht nach ihm Ausschau. Geh keinen Schritt auf ihn zu. Und solltest du ihm irgendwann zufällig begegnen, dann verhalte dich, als würdest du ihn nicht kennen.“
    Er nickte. Nach einer Weile sagte er mit angespannter und gedämpfter Stimme: „Ich würde ihn ihnen nicht ausliefern, nicht einmal um die Eisenbahn zu retten.“
    „Eddie …“
    „Ja?“
    „Solltest du ihn je sehen, lass es mich wissen.“
    Er nickte.
    Zwei Straßen weiter fragte er leise: „Du wirst eines schönen Tages auch kündigen und verschwinden, nicht wahr?“
    „Warum sagst du das?“ Es war beinahe ein Schrei.
    „Stimmt es nicht?“
    Sie antwortete nicht sofort. Als sie dann doch sprach, deutete sich ihre Verzweiflung nur in der allzu angestrengten Eintönigkeit ihrer Stimme an: „Eddie, was würde aus den Taggart-Zügen werden, wenn ich wegginge?“
    „Es gäbe innerhalb einer Woche keine Taggart-Züge mehr. Vielleicht noch eher.“
    „Innerhalb von zehn Tagen wird es keine plündernde Regierung mehr geben. Männer wie Cuffy Meigs werden sich unsere letzten Schienen und Triebwagen unter den Nagel reißen. Soll ich den Kampf verlieren, nur weil nicht noch eine kleine Weile warten will? Wie könnte ich sie verloren geben, die Taggart Transcontinental, Eddie, auf immer verloren geben, wenn eine einzige letzte Anstrengung sie erhalten kann? Wenn ich die Zustände so lange ertragen habe, kann ich sie auch noch eine kleine Weile ertragen. Nur eine kleine Weile. Ich helfe den Plünderern nicht. Nichts kann ihnen jetzt noch helfen.“
    „Was werden sie tun?“
    „Ich weiß es nicht. Was können sie tun? Sie sind am Ende.“
    „Das glaube ich auch.“
    „Hast du sie nicht gesehen? Sie sind erbärmliche, von Panik erfasste Ratten, die um ihr Leben rennen.“
    „Bedeutet es ihnen etwas?“
    „Was?“
    „Ihr Leben.“
    „Noch kämpfen sie, oder nicht? Aber sie sind am Ende, und das wissen sie.“
    „Haben sie je ihrem Wissen entsprechend gehandelt?“
    „Das werden sie tun müssen. Sie werden aufgeben. Es wird nicht mehr lange dauern. Und wir werden hier sein, um zu retten, was zu retten ist.“
    *
    „Mr. Thompson lässt bekannt geben“, hieß es in offiziellen Verlautbarungen über Rundfunk und Fernsehen am Morgen des 23. November, „dass kein Grund zur Beunruhigung besteht. Er fordert die

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