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Der Streik

Der Streik

Titel: Der Streik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayn Rand
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sogenannte „Orden für öffentlicher Wohltäter“. Es war nutzlos. Zerlumpte Menschen hörten sich die Angebote materieller Wohltaten an und wandten sich mit lethargischer Gleichgültigkeit ab, als wäre ihnen jeder Begriff von „Wert“ abhanden gekommen. Das , dachten die Meinungsforscher entsetzt, waren Menschen, die nicht leben wollten – Menschen, die zumindest unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht leben wollten.
    „Verzagen Sie nicht! Geben Sie nicht auf! John Galt wird unsere Probleme lösen!“, tönten die Radiosprecher in offiziellen Sendungen, die durch die Stille des fallenden Schnees in die Stille unbeheizter Häuser übertragen wurden.
    „Verraten Sie ihnen nicht, dass wir ihn nicht haben!“, schrie Mr. Thompson seine Assistenten an. „Aber sagen Sie ihnen um Himmels willen, dass sie ihn finden sollen!“ Ganze Mannschaften von Chick Morrisons Leuten wurden damit beauftragt, Gerüchte in die Welt zu setzen: Die eine Hälfte verbreitete die Geschichte, John Galt sei in Washington und konferiere mit Regierungsbeamten, während die andere Hälfte die Geschichte verbreitete, die Regierung habe eine Belohnung in Höhe von fünfhunderttausend Dollar für Hinweise ausgesetzt, die zur Auffindung John Galts beitrugen.
    „Nein, keine Spur“, antwortete Wesley Mouch, als er Mr. Thompson gegenüber die Berichte der Sonderbeauftragten zusammenfasste, die entsandt worden waren, um landesweit jeden Mann mit dem Namen John Galt unter die Lupe zu nehmen. „Es gibt eine Handvoll heruntergekommener Typen. Es gibt einen achtzigjährigen Professor der Ornithologie, der John Galt heißt, es gibt einen ehemaligen Obst- und Gemüsehändler mit Frau und neun Kindern, es gibt einen Hilfsarbeiter bei der Eisenbahn, der schon seit zwölf Jahren denselben Job hat, und weiteres Gesindel dieser Art.“
    „Verzagen Sie nicht! Wir werden John Galt kriegen!“, hieß es tagsüber in offiziellen Meldungen, doch nachts strahlten Kurzwellensender zu jeder vollen Stunde, einer geheimen offiziellen Anweisung entsprechend, einen Appell in den leeren Raum aus: „Aufruf an John Galt! … Aufruf an John Galt! … Hören Sie, John Galt? … Wir wollen verhandeln. Wir wollen uns mit Ihnen beraten. Lassen Sie uns wissen, wo Sie zu erreichen sind. … Hören Sie uns, John Galt?“ Es kam keine Antwort.
    Die Bündel von wertlosem Papiergeld in den Taschen der Menschen wurden schwerer, aber es gab immer weniger Dinge, die man damit hätte kaufen können. Im September hatte ein Scheffel Weizen noch elf Dollar gekostet, im November hatte er dreißig, im Dezember einhundert Dollar gekostet, jetzt näherte er sich dem Preis von zweihundert Dollar – während die Druckmaschinen der Staatskasse ein Wettrennen gegen den Hungertod liefen und verloren.
    Als die Arbeiter einer Fabrik in einem Anfall von Verzweiflung ihren Vorarbeiter verprügelten und die Maschinen zerschlugen, konnte nichts gegen sie unternommen werden. Verhaftungen waren nutzlos, die Gefängnisse waren voll, die Beamten, welche die Festnahmen durchführten, zwinkerten den Häftlingen zu und ließen sie auf dem Weg ins Gefängnis laufen – man tat mechanisch, was in dem jeweiligen Augenblick getan werden musste, und dachte nicht an den nächsten. Als der hungernde Pöbel Lagerhäuser in den Außenbezirken der Städte angriff, konnte nicht gegen ihn vorgegangen werden. Als Strafkommandos sich auf die Seite der Menschen schlugen, zu deren Bestrafung sie entsandt worden waren, konnte nichts gegen sie ausgerichtet werden.
    „Hören Sie uns, John Galt? … Wir wollen verhandeln. Möglicherweise werden wir Ihre Bedingungen erfüllen … Hören Sie uns?“
    Hinter vorgehaltener Hand verbreiteten sich Gerüchte über Planwagen, die bei Nacht auf einsamen Pfaden durch das Land fuhren, und von geheimen Siedlungen, die bewaffnet waren, um die Angriffe sogenannter „Indianer“ abzuwehren – die Angriffe von plündernden Wilden, seien sie obdachloses Gesindel oder Regierungsvertreter. Hin und wieder sah man Lichter am fernen Horizont einer Prärie, in den Hügeln, auf Bergabsätzen, auf denen man keine Häuser vermutete. Doch konnten keine Soldaten dazu überredet werden, die Quellen dieser Lichter auszukundschaften.
    Dann und wann sah man auf den Türen verlassener Häuser, an den Toren zerfallender Fabriken, an den Wänden von Regierungsgebäuden das mit Kreide, Farbe oder Blut geschriebene Dollarzeichen.
    „Können Sie uns hören, John Galt? … Melden Sie sich. Nennen Sie uns

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