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Der Streik

Der Streik

Titel: Der Streik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayn Rand
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von ihnen mit Haushaltsgegenständen beladen; zu viele Polizeifahrzeuge rasten vorbei, und in der Ferne hörte man ungewöhnlich viele Sirenen. Offenbar verbreitete sich die Meldung über die Zerstörung der Brücke in der Stadt. Die Menschen würden begreifen, dass die Stadt dem Untergang geweiht war, und sie würden in wilder Aufregung die Flucht ergreifen – aber es gab für sie alle keinen Zufluchtsort, und das war jetzt nicht mehr ihre Sorge.
    Sie sah Franciscos Gestalt, die sich ihr in einiger Entfernung näherte. Er hatte seine Mütze bis tief über die Augen gezogen, sodass sie seinen zügigen Gang erkannte, noch ehe sie sein Gesicht sehen konnte. Sie bemerkte den Augenblick, in dem er sie sah, als er näher kam. Er winkte und lächelte ihr zur Begrüßung zu. Aufgrund irgendeiner bewussten Betonung der Art, in der er seinen Arm schwang, wurde daraus die Geste eines d’Anconia, der einen lange ersehnten Gast an der Pforte seines eigenen Anwesens willkommen hieß.
    Als er sie erreicht hatte, richtete sie sich feierlich auf, schaute ihm ins Gesicht und dann auf die Gebäude der großartigsten Stadt der Welt, als wären sie die Art Zeugen, die sie sich wünschte, und sagte mit sicherer und ruhiger Stimme langsam: „Ich schwöre bei meinem Leben und meiner Liebe zum Leben, dass ich niemals um eines anderen Menschen willen leben werde noch von einem anderen verlangen werde, um meinetwillen zu leben.“
    Er neigte wie zum Zeichen der Anerkennung den Kopf. Sein Lächeln war nun eine Ehrenbezeigung.
    Dann griff er mit der einen Hand nach ihrem Koffer und mit der anderen nach ihrem Arm und sagte: „Gehen wir.“
    *
    Das zu Ehren seines Gründers Dr. Ferris als „Projekt F“ bekannte Bauwerk war ein kleines Gebäude aus Stahlbeton unten auf dem Hügel, auf dem weiter oben das stärker exponierte State Science Institute stand. Von den Fenstern des Instituts aus sah man lediglich ein Stück des grauen Dachs des von alten Bäumen überwucherten Gebäudes. Es sah aus, als wäre es nicht größer als ein Kanaldeckel.
    Das obere Geschoss des zweistöckigen Gebäudes war als kleiner Würfel asymmetrisch auf dem größeren Würfel des Erdgeschosses platziert. Im Erdgeschoss gab es keine Fenster, sondern nur eine mit Eisenspitzen besetzte Tür. Das Obergeschoss hatte ein einziges Fenster, das wie ein widerwilliges Zugeständnis an das Tageslicht wirkte und dem Gebäude das Aussehen eines Einäugigen verlieh. Die Angestellten des Instituts zeigten dem Bauwerk gegenüber keinerlei Neugier und vermieden die Wege, die zu dessen Eingang hinabführten. Niemand hatte es je erwähnt, aber sie vermuteten, dass in ihm mit tödlichen Keimen experimentiert würde.
    In beiden Stockwerken befanden sich Labore mit zahlreichen Käfigen voller Meerschweinchen, Hunde und Ratten. Doch das Herz und der Zweck des Gebäudes war ein Kellerraum, tief unter der Erde. Er war unfachmännisch mit porösen Platten aus Schallschutzmaterial ausgekleidet, die Risse aufwiesen, sodass der nackte Fels einer Höhle sichtbar wurde.
    Das Bauwerk wurde ständig von einer vierköpfigen Sonderwachmannschaft geschützt. Per Ferngespräch aus New York war die Mannschaft für diesen Abend im Rahmen eines Noteinsatzes auf sechzehn Wachleute aufgestockt worden. Das Wachpersonal sowie alle übrigen Angestellten von „Projekt F“ waren sorgfältig im Hinblick auf eine einzige Eigenschaft ausgewählt worden: die Fähigkeit zu unbedingtem Gehorsam.
    Die Wächter wurden in dieser Nacht vor dem Gebäude sowie in den menschenleeren Laboren in den oberirdischen Geschossen postiert, wo sie kritiklos ihren Dienst versahen und sich nicht im Entferntesten fragten, was unten vorging.
    In dem unterirdischen Kellerraum saßen Dr. Ferris, Wesley Mouch und James Taggart an einer Wand aufgereiht auf Sesseln. In einer der gegenüberliegenden Ecken stand ein Apparat, der aussah wie eine unregelmäßig geformte kleine Vitrine. Vorn waren Reihen von Skalen aus Glas angebracht, jede mit einem roten Bereich, ein quadratischer Bildschirm, der wie ein Verstärker aussah, Zahlenreihen, Reihen von Holzgriffen und Plastikknöpfen, auf der einen Seite ein einziger Hebel zur Steuerung eines Schalters und auf der anderen ein einziger roter Glasknopf. Das Gesicht des Apparates erschien lebendiger als das des dafür zuständigen Mechanikers; er war ein stämmiger junger Mann in einem durchgeschwitzten Hemd mit bis über die Ellbogen hochgekrempelten Ärmeln. Seine blassblauen Augen wirkten glasig,

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