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Der Streik

Der Streik

Titel: Der Streik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayn Rand
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sich bewusst entspannte.
    „Sie fassen ihn zu vorsichtig an!“, brüllte Taggart und starrte dabei auf den nackten Körper auf der Matratze.
    Galt öffnete die Augen und schaute sie einen Augenblick lang an. Sie konnten in seinem Blick nichts erkennen, außer dass er ruhig und hellwach war. Dann ließ er den Kopf wieder fallen und lag ruhig da, als hätte er sie vergessen.
    Sein nackter Körper wirkte in diesem Keller seltsam fehl am Platz. Sie waren sich dessen bewusst, obgleich keiner von ihnen es sich eingestanden hätte. Die Konturen seines Körpers, von den Knöcheln über die flachen Hüften und über die Taille bis zu seinen geraden Schultern erinnerten an ein antikes griechisches Standbild und hatten dieselbe Bedeutung, ergaben aber eine längere, leichtere, regere Figur von eher hagerer Gestalt und mit einer rastlosen Energie – es war nicht der Körper eines Wagenlenkers, sondern eines Flugzeugbauers. Und so, wie die Bedeutung einer antiken griechischen Statue – eines Gottes in Menschengestalt – mit dem Geist der Hallen dieses Jahrhunderts unvereinbar war, stand auch sein Körper im Widerspruch zu einem Keller, der für mittelalterliche Zwecke eingerichtet war. Der Widerspruch war umso gravierender, als sein Körper zu den elektrischen Kabeln, zu dem Edelstahl, den Präzisionsinstrumenten und den Hebeln eines Bedienungspults zu gehören schien. Möglicherweise – und das war der Gedanke, den seine Zuschauer am heftigsten abwehrten und am tiefsten in sich vergruben, der Gedanke, der ihnen nur als diffuser Hass und dumpfes Entsetzen gegenwärtig war – war es die Tatsache, dass solche Statuen in der modernen Welt nicht existierten, die einen Generator in einen Kraken verwandelt und ihm einen Körper wie den seinen in die Fangarme geliefert hatte.
    „Wie ich höre, sind Sie so etwas wie ein Fachmann, was Elektrizität angeht“, sagte Ferris feixend. „Das sind wir auch – finden Sie nicht?“
    Zwei Geräusche antworteten ihm in der Stille: das Dröhnen des Generators und Galts Herzschlag.
    „Die Mischserie!“, befahl Ferris und gab dem Mechaniker einen Fingerzeig.
    Nun kamen die Stromstöße in unregelmäßigen, unvorhersehbaren Abständen, unmittelbar nacheinander oder von minutenlangen Pausen unterbrochen. Nur das krampfartige Zucken von Galts Beinen, Armen, Oberkörper oder seines gesamten Körpers zeigte an, ob der Strom zwischen zwei einzelnen Elektroden oder durch alle gleichzeitig raste. Die Nadeln der Skalen näherten sich immer wieder den roten Bereichen und gingen dann wieder zurück: Der Apparat war darauf ausgelegt, dem Opfer das höchstmögliche Maß an Schmerz zuzufügen, ohne es dabei zu verletzen.
    Den Zuschauern hingegen waren die minutenlangen Pausen, die allein von den mittlerweile unregelmäßig rasenden Herztönen ausgefüllt wurden, unerträglich. Die Pausen waren so berechnet, dass das Herz zur Ruhe kommen, das Opfer sich aber nicht erholen konnte, sondern jederzeit mit einem neuen Schock rechnen musste.
    Galt lag entspannt da, als versuchte er nicht, gegen den Schmerz anzukämpfen und ihn abzulehnen, sondern sich ihm zu ergeben und ihn zu ertragen. Wenn seine Lippen sich zum Atemholen öffneten und ein plötzlicher Schock sie wieder schloss, widersetzte er sich der zitternden Spannung seines Körpers nicht, aber er ließ sie entweichen, sobald der Strom ihn verließ. Nur seine Gesichtshaut war gespannt, und seine fest verschlossenen Lippen verzogen sich hin und wieder zur Seite. Ging ein Elektroschock durch seine Brust, dann ließen die ruckartigen Bewegungen seines Kopfes seine kupferblonden Strähnen fliegen und schlugen sie gegen sein Gesicht und in seine Augen, als ginge ein Windstoß durch sie hindurch. Die Zuschauer fragten sich, weshalb sein Haar dunkler zu werden schien, bis sie begriffen, dass es von Schweiß durchtränkt war.
    Das Geräusch des eigenen gepeinigten Herzens, das scheinbar jeden Moment zu zerspringen drohte, sollte dem Opfer panische Angst einflößen. Doch es waren die Folterer, die angesichts des ungleichmäßigen, abgehackten Herzschlags vor Entsetzen bebten und bei jedem ausgesetzten Schlag die Luft anhielten. Es hörte sich jetzt an, als spränge das Herz, als schlüge es außer sich vor Schmerzen und in verzweifeltem Zorn gegen den Brustkorb. Das Herz protestierte; Galt tat nichts dergleichen. Er lag mit geschlossenen Augen und entspannten Händen ruhig da und hörte zu, wie sein Herz um sein Leben rang.
    Wesley Mouch brach als Erster

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