Der Streik
weil er sich mit solch ungeheurer Gewissenhaftigkeit auf seine Arbeit konzentrierte. Dann und wann bewegte er die Lippen, als sagte er eine auswendig gelernte Lektion auf.
Von dem Apparat aus führte ein kurzes Kabel zu einem dahinterstehenden Akkumulator. Lange Kabel wanden sich wie die Arme eines Kraken von dem Apparat aus über den Steinboden hinweg zu einer ledernen Matratze, die unter einem grellen Lichtkegel lag. John Galt war auf der Matratze festgeschnallt. Er war nackt. Die kleinen Metallscheiben der Elektroden, die an den Enden der Kabeladern hingen, waren an seinen Handgelenken, Schultern, Hüften und Knöcheln befestigt. An seiner Brust klebte ein Gerät, das einem Stethoskop ähnelte, welches wiederum an den Verstärker angeschlossen war.
„Lassen Sie mich eines klarstellen“, sprach Dr. Ferris ihn zum ersten Mal an. „Wir wollen, dass Sie die alleinige Herrschaft über die Wirtschaft des Landes übernehmen. Wir wollen, dass Sie sich zum Diktator aufschwingen. Wir wollen, dass Sie regieren. Verstanden? Wir wollen, dass Sie Befehle erteilen, die Sie nach eigenem Gutdünken für angebracht halten. Und was wir wollen, das bekommen wir auch. Mit Reden, Logik, Argumenten und passivem Gehorsam kommen Sie jetzt nicht weiter. Wir wollen Ideen, sonst können Sie was erleben. Sie kommen hier nicht heraus, ehe Sie uns die genauen Maßnahmen darlegen, mit denen Sie unser System am Leben erhalten werden. Anschließend werden Sie sie dem Land im Radio erläutern.“ Er hob sein Handgelenk und zeigte ihm eine Stoppuhr. „Ich gebe Ihnen dreißig Sekunden Zeit zu entscheiden, ob Sie sofort anfangen wollen zu reden. Wenn nicht, dann legen wir los. Haben Sie mich verstanden?“
Galt schaute sie mit ausdruckslosem Gesicht offen an, als hätte er zu viel verstanden. Er gab keine Antwort.
In der Stille hörten sie das Ticken der Stoppuhr im Sekundentakt und das keuchende, unregelmäßige Atmen von Mouch, der sich an den Armlehnen seines Sessels festkrallte.
Ferris gab dem Mechaniker an dem Apparat einen Wink. Der Mechaniker legte den Schalter um. Daraufhin leuchtete der rote Glasknopf, und zwei Geräusche wurden ausgelöst: zum einen das tiefe, summende Dröhnen eines Generators und zum anderen ein eigenartiges Klopfen, das so regelmäßig war wie das Ticken einer Uhr, aber merkwürdig gedämpft. Es dauerte einen Augenblick, ehe sie begriffen, dass es Galts Herztöne waren, die aus dem Verstärker kamen.
„Nummer drei“, sagte Ferris, indem er zum Zeichen einen Finger hob.
Der Mechaniker drückte einen Knopf unterhalb einer der Skalen. Ein langes Schaudern ging durch Galts Körper. Sein linker Arm wurde aufgrund des elektrischen Stroms, der zwischen seinem Handgelenk und seiner Schulter zirkulierte, von Krämpfen geschüttelt. Sein Kopf fiel zurück, seine Augen schlossen sich, seine Lippen waren zusammengepresst. Er gab keinen Laut von sich.
Als der Mechaniker seinen Finger vom Knopf nahm, hörte das Schütteln in Galts Arm auf. Er rührte sich nicht.
Die drei Männer blickten um sich, als brauchten sie einen Augenblick, um sich wieder zurechtzufinden. Ferris’ Augen waren leer, Mouchs entsetzt und Taggarts enttäuscht. Das Klopfen durchbrach weiterhin die Stille.
„Nummer zwei“, sagte Ferris.
Nun war es Galts rechtes Bein, das sich in Krämpfen wand, während der Strom zwischen seiner Hüfte und seinem Knöchel zirkulierte. Seine Hände griffen nach den Kanten der Matratze. Sein Kopf drehte sich einmal ruckartig von einer Seite auf die andere und lag dann ruhig da. Sein Herz schlug etwas schneller.
Mouch zog sich in seinen Sessel zurück und drückte sich an die Rückenlehne. Taggart saß nach vorn gebeugt auf der Kante seines Sessels.
„Nummer eins, allmählich ansteigend“, sagte Ferris.
Galts Oberkörper wurde hochgeworfen, fiel zurück, krümmte sich in anhaltenden Krämpfen und riss an den Fesseln seiner Handgelenke, während der Strom durch seine Lungen hindurch von einem Handgelenk zum anderen ging. Der Mechaniker drehte langsam einen Knopf und erhöhte damit die Spannung. Die Nadel der Skala bewegte sich auf den roten Bereich zu, der Gefahr signalisierte. Galts Atem kam unregelmäßig und keuchend aus seinen verkrampften Lungen.
„Reicht Ihnen das?“, knurrte Ferris, als der Strom aussetzte.
Galt gab keine Antwort. Seine Lippen öffneten sich leicht, um Luft zu holen. Der durch das Stethoskop übertragene Herzschlag war rasend schnell. Aber sein Atem wurde wieder regelmäßig, da Galt
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