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Der Streik

Der Streik

Titel: Der Streik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayn Rand
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mochten, ihnen jetzt nichts mehr nützten.
    Sie bemerkte kein Erschrecken in ihren Gesichtern; sie sah Spuren von Angst, aber sie wirkte oberflächlich. Der Ausdruck ihrer Gesichter reichte von leerer Apathie über die entspannte Miene von Betrügern, die geglaubt hatten, ihr Spiel könne nicht anders ausgehen, und die keine Anstrengung unternahmen, diesen Ausgang abzuwenden oder zu bedauern, über die hartnäckige Blindheit Lawsons, der sich weigerte, sich überhaupt irgendetwas bewusst zu machen, bis hin zur sonderbaren Aufmerksamkeit von Jim, in dessen Gesicht sich ein heimliches Lächeln abzeichnete.
    „Also? … Also?“, fragte Dr. Ferris ungeduldig, mit der knisternden Energie eines Mannes, der sich in einer hysterischen Welt aufgehoben fühlt. „Was wollen Sie jetzt mit ihm anstellen? Argumentieren? Debattieren? Reden schwingen?“
    Niemand antwortete.
    „Er … muss … uns … retten“, sagte Mouch langsam, als müsste er den letzten Rest seines Verstandes zusammennehmen, um der Wirklichkeit ein Ultimatum zu stellen. „Er muss … die Kontrolle übernehmen … und das System retten.“
    „Warum schreiben Sie ihm nicht einen entsprechenden Liebesbrief?“, fragte Ferris.
    „Wir müssen ihn … dazu bringen … die Kontrolle zu übernehmen. Wir müssen ihn zwingen zu herrschen“, sagte Mouch im Ton eines Schlafwandlers.
    „Sehen Sie jetzt ein“, sagte Ferris plötzlich mit gesenkter Stimme, „was für eine wertvolle Einrichtung das State Science Institute darstellt?“
    Mouch antwortete ihm nicht, aber sie sah, dass sie alle zu wissen schienen, was er meinte.
    „Sie haben mein privates Forschungsprojekt als ‚unbrauchbar‘ abgetan“, sagte Ferris leise. „Aber was habe ich Ihnen gesagt?“
    Mouch antwortete nicht; er ließ seine Finger knacken.
    „Jetzt ist nicht die Zeit für Zimperlichkeit“, sagte James Taggart mit unerwarteter Tatkraft, aber auch seine Stimme war sonderbar tief. „Wir müssen in dieser Angelegenheit keine Weichlinge sein.“
    „Mir scheint …“, sagte Mouch teilnahmslos, „der Zweck heiligt die Mittel.“
    „Es ist zu spät für irgendwelche Skrupel oder Prinzipien“, sagte Ferris. „Jetzt gilt es, unmittelbar zur Tat zu schreiten.“
    Niemand antwortete. Sie verhielten sich, als wünschten sie, ihr Schweigen, nicht ihre Worte würden ausdrücken, worüber sie sprachen.
    „Es wird nicht funktionieren“, sagte Tinky Holloway. „Er wird nicht nachgeben.“
    „Das glauben Sie !“, sagte Ferris und lachte auf. „Sie haben unser Versuchsmodell noch nicht im Einsatz gesehen. Vergangenen Monat haben wir drei Geständnisse in drei ungelösten Mordfällen erwirkt.“
    „Wenn …“, hob Mr. Thompson an, und seine Stimme schlug plötzlich in ein Stöhnen um, „wenn er stirbt, gehen wir alle zugrunde!“
    „Keine Sorge“, sagte Ferris. „Das wird er nicht. Der Ferris-Persuasor ist so ausgelegt, dass diese Möglichkeit ausgeschlossen ist.“
    Mr. Thompson antwortete nicht.
    „Mir scheint … wir haben keine andere Wahl …“, sagte Mouch beinahe im Flüsterton.
    Alle schwiegen. Mr. Thompson versuchte keine Notiz davon zu nehmen, dass alle Augen auf ihn gerichtet waren. Dann schrie er plötzlich: „Ach, machen Sie doch, was Sie wollen! Ich konnte nichts dafür! Machen Sie, was Sie wollen!“
    Dr. Ferris wandte sich an Lawson. „Gene“, sagte er angespannt und noch immer flüsternd, „gehen Sie schnell zum Radiokontrollamt. Ordnen Sie Bereitschaft für alle Sender an. Sagen Sie ihnen, ich werde Mr. Galt binnen drei Stunden auf Sendung bringen.“
    Lawson grinste plötzlich heiter, sprang auf und lief aus dem Zimmer.
    Sie wusste Bescheid. Sie wusste, was sie vorhatten und was sie innerlich dazu befähigte. Sie glaubten nicht an den Erfolg ihres Vorhabens. Sie glaubten nicht, dass Galt nachgeben würde, und sie wollten auch gar nicht, dass er nachgab. Sie glaubten jetzt nicht mehr an irgendeine Rettungsmöglichkeit; sie wollten überhaupt nicht gerettet werden. Sie wurden von der Panik ihrer namenlosen Gefühle angetrieben. Sie hatten zeitlebens gegen die Wirklichkeit angekämpft – und nun hatten sie endlich einen Punkt erreicht, an dem sie sich heimisch fühlten. Sie mussten nicht wissen, weshalb sie so fühlten – sie, die sie sich entschieden hatten, niemals um ihre Gefühle zu wissen –, sie empfanden lediglich ein Gefühl des Wiedererkennens, denn dies war es, wonach sie gesucht hatten, dies war die Art von Wirklichkeit, auf die all ihre Gefühle,

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