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Der stumme Handlungsreisende

Der stumme Handlungsreisende

Titel: Der stumme Handlungsreisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lewin
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wollte wirklich nicht mit Gartland
     reden; es gab nichts, was ich ihm hätte sagen wollen. Er hielt mich für
     unbesonnen und unvernünftig. Ich hatte bestimmt keine Chance, ihn
     dazu zu bringen, eine ernsthafte Ermittlung gegen die Loftus-Leute zu
     veranlassen. Die Aussicht auf ein Treffen mit ihm stimmte mich zutiefst
     traurig.
    Ich machte einen Schritt auf
     die Tür zu.
    Dann tat ich etwas
     Unbesonnenes.
    Ich donnerte Miller einen
     rechten Schwinger vors Kinn, wie ich ihn wilder und schwerer auch in
     meinen kühnsten Träumen niemals geschwungen hatte.
    Er fiel wie ein Stein. Es muß
     zur Hälfte die bloße Überraschung gewesen sein.
    Es überraschte mich
     auch. Ich betrachtete meine Faust, als hätte sie ein Eigenleben.
    Und dann verließ ich
     schnellstens mein Büro.

 
    35
    Ich sah Linn Pighee vor mir,
     wie sie bleich in ihrem Krankenhausbett lag, während ich um die Ecke
     bog und meinen Wagen aus seinem Parkplatz loseiste. Aber schon bald
     konzentrierte ich mich wieder auf mein eigenes Problem: Noch eine Weile in
     Freiheit zu bleiben und die Zeit zu nutzen, eine Antwort auf meine Frage
     zu bekommen, ein und für allemal. Ich hatte mir die Suppe selbst
     versalzen, aber ich brauchte Zeit, um noch mehr Salz hineinzuschütten,
     so viel, daß sie völlig ungenießbar wurde.
    Ich fuhr die Virginia Avenue
     in südöstlicher Richtung und hielt bei Bud’s Dugout. Zur
     Frühstückszeit ging es hektisch zu. Mom stand unter Hochdruck
     und tat wieder einmal alles gleichzeitig, wie sie es so gern hatte. Auch
     Sam war da und stand mit einem Topf Kaffee zum Nachschenken neben ihr.
    Ich ging direkt ins
     Hinterzimmer und hielt nur kurz an, um meine Tochter mit mir mitzuziehen.
    »Daddy, ich helfe Großmutter!«
     sagte sie. Und hatte dann die Geistesgegenwart, einen Blick auf mein
     Gesicht zu werfen.
    »Ist etwas nicht in
     Ordnung?«
    »Hast du deinen Wagen
     hier?«
    »Ja, natürlich.«
    »Gut. Ich möchte,
     daß du in die Stadt fährst, in mein Büro.«
    »Was ist passiert?«
    »Im Gegensatz zu dem,
     was du vielleicht aus anderen Quellen erfahren wirst, habe ich keine
     Gesetze gebrochen. Ich habe mich nicht einmal der Verhaftung widersetzt,
     denn er hat nie gesagt, daß er mich verhaften wolle.«
    »Daddy!«
    Ich brachte ein Lächeln
     zuwege. »Ich habe das Gas unter einem Topf Kaffee brennen lassen.
     Ich wäre dir sehr dankbar, wenn du es abdrehen würdest.«
    »Ich verstehe nicht.«
    »Nachdem du kurz im Büro
     vorbeigeschaut hast, möchte ich, daß du Linn Pighee besuchst.«
    »Das hatte ich sowieso
     vor«, sagte Sam. »Aber ich wollte eigentlich erst Großmutter
     beim Abwasch helfen.«
    »Wenn du zurück
     bist, möchte ich, daß du meinen Anwalt anrufst.«
    »Ach?«
    Ich gab ihr seinen Namen und
     seine Telefonnummer. »Ich möchte, daß du ihn anrufst und
     ihm sagst, daß er heute nacht nicht schlafen soll. Ich werde ihn
     vielleicht brauchen. Wenn ich mich bis zwei Uhr nicht bei ihm gemeldet
     habe, soll er bei der Polizei nachfragen, ob sie mich schon haben. Okay?«
    »Ja, Daddy.«
    Ich ging auf die Tür zu.
     »Ich muß jetzt gehen.«
    Eine gute Tochter. Sie
     stellte keine weiteren Fragen.
    Im Vorbeigehen winkte ich
     noch meiner Mutter kurz zu. Sie fand genug Zeit, um mir einen finsteren
     Blick zuzuwerfen. Gute Tochter vielleicht. Aber schlechter Vater.
    Miller hatte inzwischen
     sicher Zeit gehabt, über das, was geschehen war, nachzudenken. Sein
     erster Impuls würde sein, einen Fahndungsbefehl gegen mich zu
     erlassen. Aber dann hätte er doch gezögert, weiter nachgedacht.
     Sich selbst wieder unter Kontrolle gebracht. Schließlich wäre
     er zu meinem Wagen gegangen, um festzustellen, ob er noch auf dem
     Parkplatz stand. Er hätte seine Abwesenheit bemerkt und dann den
     Fahndungsbefehl erlassen. Es war die einzige Möglichkeit, wie er sich
     schützen konnte.
    Den ganzen Weg nach Beech
     Grove legte ich auf Nebenstraßen zurück und begegnete keiner
     einzigen Polizeistreife. Am Wegrand der Einfahrt zu Linn Pighees Haus
     hielt ich an. Ging direkt zur Garage und versuchte mich an den Schlüsseln,
     die sie mir gegeben hatte, bis ich den richtigen für die Garagentür
     fand. Ich öffnete sie, stieg in den Wagen und fuhr ihn auf die Straße.
     Dann manövrierte ich meinen Lieferwagen in die Garage und schloß
     die Tür wieder zu.
    Erst als ich damit fertig
     war, meinen Wagen außer Sicht zu bringen, fiel mir auf, daß
     ich Publikum hatte.
    »Hallo, Mrs. Thomas«,
    

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