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Der stumme Handlungsreisende

Der stumme Handlungsreisende

Titel: Der stumme Handlungsreisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lewin
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worden. Und es
     war auf den ersten Blick klar, daß es Lee Seafield an nichts
     Protzigem mangelte, was man für Geld kaufen konnte. Wenn ich nicht so
     angespannt gewesen wäre, hätte ich eifersüchtig sein können.
     Meine ersten Minuten in Seafields Wohnung verbrachte ich damit, langsam
     durch das Zimmer zu schreiten und alles in mich aufzunehmen, worauf mein
     Blick fiel.
    Zuerst bemerkte ich die Bücher.
     Eine Handbibliothek für Chemiker. Und Portugiesisch in dreißig
     Tagen mit dazugehörigen Kassetten.
    Dann sah ich die Bilder. Ein
     Pappkarton voller Nacktfotos von Männern und Frauen, alle vermutlich
     sehr entgegenkommend, alle vermutlich sehr erwachsen.
    Vor allem ein Foto zog meine
     Aufmerksamkeit auf sich.
    Nicht nur, weil es sich in
     Stil und Inhalt von den anderen unterschied, sondern weil es meine
     Herzdame zeigte.
    Das Foto, das ich bei meiner
     eisernen Reserve aufbewahrt hatte.
    Ausnahmsweise widerstand ich
     meinem Drang, es einzustecken. Als Beweis war es nur in situ zu etwas nütze.
    Und Beweise waren knapp. Der
     Rest des Zimmers enthielt nur weniges, was von Interesse war oder als
     Beweis hätte dienen können. Keine Waffen, keine geheimen
     Drogenvorräte, keine Behälter mit radioaktiven Symbolen darauf.
    »Hm«, sagte ich
     zu Walker. »Ich kann nicht sagen, daß mir das irgendwie
     weitergeholfen hätte. Tut mir leid, daß ich Ihnen solche Mühe
     gemacht habe.«
    Eine entfernte Stimme sagte:
     »Lee?«
    Die Stimme war schläfrig,
     weiblich und kam von oben.
    Vor lauter
     Portugiesisch-Kassetten war mir entgangen, daß kein Bett im Zimmer
     stand.
    Noch einmal rief die Stimme:
     »Lee? Bist du das?«
    An der Wand neben der Tür,
     durch die wir gekommen waren, befand sich eine Leiter, die zu einem
     Hochbett hinaufführte. Ich ließ Walker unten stehen und
     kletterte hinauf. Es war ein großer, spitz zulaufender Schlafraum
     mit dem gewaltigen Bett in der Mitte unter einem Glasdach.
    Ich sah Marcia Merom, die
     sich auf dem Bett aalte. Und sie sah mich. Sie riß die Augen auf;
     ihre Pupillen zogen sich auf Stecknadelgröße zusammen. Dann
     setzte sie sich auf. »Fassen Sie mich nicht an!« sagte sie.
    »Ich werde versuchen,
     mich zu beherrschen«, sagte ich und setzte mich neben sie auf die
     Bettkante. Sie schlängelte sich von mir weg, wobei sie die Bettdecke
     fest umklammert hielt. Sie war überrascht und hatte Angst. Ideale
     Bedingungen, um sie kooperativ zu stimmen.
    »Ich dachte, Sie und
     Lee wollten zum Polizeihauptquartier gehen und erzählen, wie ich Sie
     gekidnappt habe«, sagte ich. »War das nicht so geplant?«
    »Wir wollten heute
     nachmittag gehen«, sagte sie.
    »Wenn Sie dahin kommen«,
     sagte ich zu ihr, »werden Sie eine Überraschung erleben.«
    Sie wiederholte ihr
     Repertoire an mißbilligenden Gesichtsausdrücken.
    »Ich habe heute schon
     mit der Polizei geredet«, sagte ich. »Und wie Sie sehen, bin
     ich immer noch frei.« Tatsachen nebeneinandergestellt. »Ich
     hoffe, Sie können dasselbe von sich sagen, nachdem Sie mit denen
     geredet haben.«
    Ich ließ ihr einen
     Augenblick Zeit, um das zu verdauen. Daß ich von ihrer
     Anschuldigung, sie entführt zu haben, wußte, bedeutete, daß
     ich mit der Polizei geredet haben mußte. Sie konnte kaum auf die
     Idee kommen, daß ich auf der Flucht vor ihr war. Ich konzentrierte
     mich darauf, entspannt und voll himmlischer Zuversicht zu sein: Das fällt
     mir leicht, wenn ich weiß, daß ich drauf und dran bin zu lügen.
    »Sie und Ihr großer,
     impulsiver Freund werden eine kleine Überraschung erleben, wenn Sie
     heute beim Polizeihauptquartier auftauchen«, sagte ich noch einmal.
     »Die Cops wissen, daß diese FBI-Geschichte ein einziger
     Schwindel ist. Und sie sind überhaupt nicht erfreut darüber.«
    »Wie meinen Sie das,
     ein Schwindel?« Jetzt mit einem Anflug von Panik.
    Unwillkürlich wurde ich
     lauter. »Daß die ganze Geschichte faul ist. Lügen. Eine
     Tarnung. Daß ihr Leute euch bereichert mit Hilfe der Geheimhaltung,
     die verdeckte Regierungsoperationen umgibt. Daß Sie genausowenig für
     das FBI arbeiten wie ich.«
    »Das stimmt nicht!«
    Ich sah weg, hinauf, und aus
     dem gläsernen Dach hinaus. Mein Blick fiel auf die Blätter, die
     an den Bäumen raschelten, aber ich konnte sie nicht hören. Dann
     wandte ich mich wieder zu ihr um. »Können Sie beweisen, daß
     Sie für das FBI arbeiten? Haben Sie irgendwelche Papiere oder
     Ausweise bei sich?«
    Sie schüttelte den

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